Die Zufalle des Herzens
Nischen und lasen Zeitung, tippten auf der Tastatur ihrer Laptops herum oder unterhielten sich angeregt. Zwei Frauen mit graumelierten Haaren und Strickmützen brachen in wohlklingendes Gelächter aus. Dana fragte sich, ob ihre Freundschaft mit Polly einmal so nahtlos repariert sein würde, dass sie in zehn Jahren hierherkommen und wie Schwestern zusammen kichern könnten.
Die Schlange vor der Theke kam rasch voran, und gerade als Dana mit ihrer Bestellung dran war, fiel ihr auf, dass der Fünfdollarschein, der normalerweise in der kleinen Tasche ihrer Sporthose steckte, weg war. »Oh«, sagte sie zu dem Mann, der hinter der Kasse stand. »Ich dachte, ich hätte Geld dabei, aber ich … Könnte ich bitte nur eine Tasse heißes Wasser bekommen?«
»Aber sicher«, sagte er mit einem amüsierten Grinsen. »Und wie der Zufall es so will, haben wir gerade ein Spezialangebot – zu jedem bestellten heißen Wasser gibt’s einen kostenlosen Teebeutel dazu.«
Dana starrte ihn eine Sekunde lang an. Eine Gefälligkeit , begriff sie. Sie dankte ihm aufrichtig, als er ihr den Tee gab. Im Weggehen hörte sie den Mann hinter sich sagen: »Hallo, Richie. Ich glaube, ich nehme auch das Spezialangebot.«
»Oje, zu spät, mein Freund«, sagte der Kasssierer laut lachend. »Das Spezialangebot ist leider aus!«
Als Dana nach Hause kam, lief die Spülmaschine, und Alder war dabei, die Arbeitsflächen in der Küche abzuwischen.
»Äh, weißt du was«, sagte Alder mit ahnungsvoll angespannter Miene. »Ich habe meine Mutter angerufen.«
»Wegen deines Autos?«, fragte Dana.
»Nicht speziell.«
»Weswegen dann?«
Alder schrubbte an einem Flecken hart gewordener thailändischer Nudeln herum.
»Alder?«
Das Mädchen warf seiner Tante einen bekümmerten Blick zu.
»Ach so«, sagte Dana. »Meinetwegen.«
Alder zuckte mit bedauernder Miene zusammen. »Ich hab mir nur Sorgen gemacht und wusste nicht, mit wem ich darüber sprechen sollte. Ich hab ja nicht geahnt, dass sie ins Auto steigen und herkommen würde … Aber sie kommt … heute Abend.«
- 37 -
A ls Connies betagter VW -Bus an diesem Abend knatternd wie ein wütender Rasenmäher die Straße heraufkam und in die Einfahrt bog, wusste die gesamte Nachbarschaft auf einen Schlag Bescheid. Dana staubte gerade im Esszimmer ab. Gleich nach Alders Ankündigung hatte sie mit dem Putzen angefangen.
»Nicht dass ihr das auffallen würde«, hatte Alder gesagt, als Dana den Staubsauger aus dem Flurschrank zerrte.
»Ich weiß.« Dana hatte viel zu oft mitbekommen, wie Connie und ihre Mutter sich über den »katastrophalen Saustall« stritten, mit dem sie Connies Seite des Schlafzimmers meinten, das die beiden Schwestern geteilt hatten. »Was spielt denn das für eine Rolle ?«, hatte Connie dann gemault. »Ich verwüste doch sowieso wieder alles!«
Dana putzte, weil es ein gutes Gefühl war, etwas so ganz und gar Normales zu tun. Für Gäste Ordnung zu schaffen – war das nicht der Grundpfeiler einer zivilisierten Gesellschaft? So, und wo könnte Connie schlafen?
»Bei mir schläft sie nicht!«, sagte Alder. Allerdings war sie bereit, in Morgans Zimmer umzuziehen, damit ihre Mutter die Ausziehcouch im Fernsehzimmer übernehmen könnte. Dana verstaute gerade die Möbelpolitur mit Zitronenaroma unter der Spüle, als Connie mit ihren Holzclogs die Stufen zum Seiteneingang hinaufpolterte.
Sie sah anders aus. Ihr dunkles Haar war gleich unterhalb der Ohren stumpf abgeschnitten und stand seitlich vom Kopf ab wie die Eckpunkte ergrauender Dreiecke. Ihre heißgeliebte Batiksteppjacke mit den chinesischen Münzen als Knöpfe hing ihr locker am Körper. Schlaksig war Connie schon immer gewesen, aber jetzt erschien ihr schmales Gesicht fast hager. Dana griff nach der grob gewebten Tasche, die an Connies Schulter hing. »Komm, lass mich die tragen.«
»Immer noch höflich.« Connie lächelte. »Dann geht es dir ja vielleicht doch nicht ganz so schlecht.« Ihr Blick wanderte an Dana vorbei zu Alder, und Dana hatte den Eindruck, dass ihre Schwester sich beherrschte und gegen ihren Hang ankämpfte, sofort zur Sache zu kommen. »Hi«, sagte sie.
»Hi«, sagte Alder.
Lange konnte Connie sich aber nicht zurückhalten. Sie streckte die Hand nach Alders getöntem Haar aus. Das Schwarz war immer weiter herausgewachsen und hatte mehr von ihrem natürlichen Rötlichbraun freigelegt. Connie nahm von den Haarenden eine Strähne und ließ sie langsam auf die Schulter ihrer Tochter herabfallen.
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