Die Zufalle des Herzens
– und fuhren los, um Morgan abzuholen. Im Auto fragte sie ihn nach seinem Spielnachmittag. Ihre anfangs offenen Fragen arteten, je mehr er ihr auswich, desto mehr zu einem Kreuzverhör aus. Als sie in die Einfahrt der Kinnears bogen, drehte sie sich zu ihm um. »Grady, ich weiß, als wir uns gestern Abend unterhalten haben, hast du gesagt, dass alles in Ordnung ist, aber den Eindruck habe ich nicht. Und wenn du nicht darüber sprechen willst, kann ich dich nicht zwingen, aber dass du dich bei anderen Leuten schlecht benimmst, kann ich nicht zulassen, okay?« Er zuckte die Schultern und sah weg. Sie hoffte, dass der Grund für seine schlechte Laune rasch vergehen würde und sie ihn vor Leuten wie dieser arroganten Amy Koljian nicht mehr in Schutz nehmen musste.
Dana stieg aus und ging zum Haus, um Morgan zu holen. Nachdem sie sich verabschiedet hatten und auf die Veranda der Kinnears getreten waren, machte Nora die Tür noch einmal auf und flüsterte ein seltsam verstohlenes »Dana« . Als Dana sich umdrehte, bemerkte sie, dass Nora die Augen voller Anspannung zusammengekniffen hatte. »Lassen Sie uns heute Abend wie besprochen einen trinken gehen.«
Dana war hin- und hergerissen. Sie hatte Mitleid mit Nora, die bei all ihrem beruflichen, finanziellen und gesellschaftlichen Erfolg von einer verborgenen Traurigkeit erfüllt zu sein schien. Außerdem war es schmeichelhaft – Nora konnte fragen, wen sie wollte, und die Antwort wäre Ja, allerdings nicht unbedingt aus den richtigen Gründen. Viele hätten sich an der Not der überaus beliebten Frau geweidet. Vielleicht war das der Grund, warum Nora sie ausgesucht hatte, mutmaßte Dana, denn ihr konnte sie vertrauen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe die Kinder den ganzen Tag nicht gesehen. Wie wär’s morgen Abend?«
Sie verabredeten, sich am nächsten Abend um neun Uhr in Keeney’s Lakeside Tavern zu treffen, und Nora schien dankbar zu sein. »Ich stehe in Ihrer Schuld«, war die Wendung, die sie benutzt hatte und die Dana auf dem Heimweg immer wieder durch den Kopf ging.
Am nächsten Tag nahm Dana sich vor, in der Mittagspause Gradys Lehrerin anzurufen, um zu sehen, ob in der Schule irgendetwas im Gange war, das ein Grund für seine Niedergeschlagenheit sein könnte. Hatte er Probleme mit dem Stoff? Wurde er drangsaliert? Ein paar Minuten vor der Mittagspause klingelte ihr Handy, und am anderen Ende der Leitung war, als hätte sie Danas Gedanken gelesen, Mrs Cataldo.
»Nichts passiert!«, trällerte sie mit einer gekünstelten Leichtigkeit, die Dana zusammenzucken ließ. Knochen waren vielleicht nicht gebrochen, aber wenn die Lehrerin mitten am Tag anrief, die Stimme von Süßigkeit umhüllt wie ein Apfel von Karamell, dann musste irgendetwas vorgefallen sein. »Ich rufe bloß an, um mich mal zu melden«, sagte Mrs Cataldo, »und zu hören, wie es zu Hause so läuft.«
»Eigentlich hatte ich vorgehabt, Sie selbst in ein paar Minuten anzurufen und zu hören, ob in der Schule alles in Ordnung ist.«
»So ein witziger Zufall aber auch!«, säuselte Mrs Cataldo. »Ich will Ihnen mal sagen, was ich hier auf meiner Liste stehen habe.« Bei der nachfolgenden Aufzählung zog sich in Danas Brust alles schmerzhaft zusammen. Mit Freunden streiten, beim Mittagessen in der Schlange schubsen, vom Stuhl kippen und für Unruhe sorgen. »Und er hat darauf bestanden, in der Pause drinnen zu bleiben. Er sagt, er muss seine Hausaufgaben machen, weil er nach der Schule so beschäftigt ist.«
»Also, das ist merkwürdig«, sagte Dana. »Wenn er sich nicht mit jemandem zum Spielen trifft, hat er nach der Schule jede Menge Zeit. Ich habe eine neue Stelle, aber nur in Teilzeit, und ich bin fast immer zu Hause, um ihm zu helfen.«
»Ahaaa«, sagte Mrs Cataldo weise. »Eine neue Stelle.«
Dana spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Ja , hätte sie am liebsten gesagt, ich bin wieder arbeiten gegangen. Mein Mann hat mich nämlich verlassen, dann sind seine Provisionen zurückgegangen, und das Geld reichte plötzlich nicht mehr. Also habe ich mir einen Job gesucht, der die Kinder fast gar nicht tangiert, und ich bringe mich fast um, damit alles glattläuft. Unterstellen Sie mir also nicht …
»Vielen Dank für den Anruf«, sagte sie zu Mrs Cataldo. »Ich spreche mit Gradys Dad, und dann arbeiten wir von unserer Seite daran. Lassen Sie uns nächste Woche wieder telefonieren, ja?«
Sie verabschiedeten sich, und Dana ließ das Handy auf ihren Schreibtisch fallen. Sie nahm
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