Die Zufalle des Herzens
dann das Eis in mich reingestopft.« Die Vorstellung, wie Morgan allein mit dem von Gefrierbrand überzogenen Lieblingseis ihres Vaters dasaÃ, brach Dana das Herz.
Dessen ungeachtet fuhr Morgan fort: »Mir war so schlecht, dass ich gedacht hab, ich müsste kotzen, habâs aber nicht getan. Und irgendwie war ich enttäuscht, weil ich dieses ganze Eis wieder drauÃen haben wollte. WeiÃt du, wie sich das anfühlt? Wenn man zu viel gegessen hat und man es einfach nur noch drauÃen haben will?«
Natürlich wusste sie das. Nur zu gut. »Ja«, flüsterte Dana, »das weià ich.«
»Also bin ich ins Bad gegangen und hab mir den Finger in den Hals gesteckt. Es ist widerlich und irgendwie tutâs auch weh. Aber hinterher hab ich mich viel besser gefühlt. Und ⦠irgendwie ⦠reifer. Weil, du warst nicht zu Hause, und Dad natürlich auch nicht. Aber ich habâs hingekriegt. Ich habâs selbst gelöst, so wie Dad es immer haben will.«
Dana war froh, dass Morgan ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ich könnte ihn umbringen, ehrlich, dachte sie, obwohl sie nicht genau wusste, wem sie eher die Schuld geben sollte â Kenneth oder sich selbst.
»Aber ich hab aufgehört«, sagte Morgan. »Es wurde immer stärker. Gleich beim Aufwachen hab ich überlegt, wann ich es mache und was ich esse und so. Es hat mich unheimlich beschäftigt, und deshalb hab ich vor ungefähr einem Monat aufgehört.«
Da war sie wieder â die Lüge, mit der Dana irgendwie gerechnet hatte. »Morgan«, sagte sie, »hast du dich am Abend deiner Party übergeben? Bitte sei ehrlich zu mir.«
Zuerst kam keine Antwort. »Ja«, sagte sie schlieÃlich.
» Warum denn, mein Schatz?«
»Ich hatte einfach richtig Schiss, dass die Party ein Reinfall würde und dass alle mich für einen Freak halten würden.«
»Sie war aber kein Reinfall. Alles ist bestens gelaufen.«
»Ich weiÃ, aber nur weil etwas im Moment gut läuft, heiÃt das ja nicht, dass es nicht in fünf Minuten ein totaler Reinfall werden kann.«
Das stimmte natürlich. Es war wie mit Bomben, die immer aus heiterem Himmel herabfielen. Oder einfach tickend dalagen.
Morgan versprach, dass das mit dem Erbrechen vorbei war. Ein für alle Mal. Und im Ãbrigen, fügte sie mit Nachdruck hinzu, lief ja jetzt alles ganz prima. Sie war nahezu die beste Freundin von einem der beliebtesten Mädchen der Schule. Alle mochten sie. Alles war in Ordnung.
- 18 -
D r. Sakimoto war selbst am Telefon. Als Dana am nächsten Morgen anrief, sagte sein unverwechselbarer Bariton mit diesem merkwürdig lässigen Brummen: »Cotters Rock Dental, was kann ich für Sie tun?«
»Tony?«, sagte sie, über sich selbst erstaunt. Seit wann war ihr Umgang so ungezwungen, dass sie ihn Tony nannte?
»Ja?«
»Hier ist Dana Stellgarten.«
»Dana«, sagte er hörbar erfreut. »Sagen Sie bloà nicht, dass Ihr Zahn Probleme macht. Das war eins meiner besten Werke.«
»Nein, der ist in Ordnung. Bestens, wirklich.« Während sie sich mit der Zungenspitze an den Zahn tippte, wurde ihr bewusst, dass sie kaum noch an ihn gedacht hatte. »Eigentlich ⦠äh ⦠habe ich angerufen, um Sie zu fragen, ob Sie noch an meiner â vorübergehenden â Unterstützung als Sprechstundenhilfe interessiert sind.«
»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?«
»Nein, nein ⦠aber wenn Sie schon â¦Â«
»Das ist fantastisch!«, sagte er. »Jetzt ist mein Tag gerettet!«
»Hoffentlich finden Sie das auch noch, wenn Sie erfahren, dass für mich nur halbtags infrage kommt â¦Â«
»Sie sind alleinerziehende Mutter mit kleinen Kindern, Dana. Ich hatte mir schon gedacht, dass Vollzeit für Sie nicht drin ist.«
Jawoll! , dachte Dana und schlug lautlos auf den Küchentisch.
In der anschlieÃenden Unterhaltung ging es um einzelne Verhandlungspunkte, die mit seinem inzwischen vertrauten Geplänkel durchsetzt waren. »Denken Sie dran, Ihr Strickzeug mitzubringen«, sagte er zu ihr. »Oder was Sie sonst für ein Hobby haben.«
»Töpfern«, witzelte sie zurück. »Ich werd mir im Wartezimmer einfach ein Eckchen für meine Drehscheibe freiräumen.«
Die Vergütung, die er ihr anbot, war akzeptabel, und er glaubte, damit zurechtzukommen, dass sie an den meisten Tagen um
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