Die Zufalle des Herzens
taillenkurzen grauen Lederjacke war nur halb hochgezogen und offenbarte den knochigen Grat ihres Schlüsselbeins. »Tagsüber arbeite ich.«
»Ach ja, stimmt. In dem neuen Geschäft in der Evergreen Mall. Perfectua.«
Nora lächelte nachsichtig. »Ich bin die Marketingchefin, das heiÃt, ich arbeite nicht im Geschäft. Mein Arbeitsplatz ist im Bürogebäude des Unternehmens.«
»Das ist sicher â¦Â« Was? , überlegte Dana verzweifelt. Was ist es sicher? »⦠aufregend.«
Nora zuckte leicht die Schultern. »Es macht SpaÃ.« In einer Geste der Vertraulichkeit beugte sie sich ein wenig zu Dana vor. »Unterm Strich ist es aber auch nur Arbeit, wissen Sie.«
Dana nickte. Sie wusste es. Oder hatte es jedenfalls gewusst. Vor zwölf Jahren, bevor sie ihre letzte Arbeitsstelle aufgegeben hatte. »Die Mädchen scheinen sich ja zu verstehen«, sagte sie fröhlich.
»Sie sind dicke Freundinnen«, sagte Nora, während sie mit den Fingern vorne in den Einkaufswagen fuhr, um die Riemen ihrer schicken Handtasche glatt zu streichen. »Ihre Margot ist aber auch eine ganz SüÃe.«
»Ãh, Morgan heiÃt sie, und es ist so schön, wie sie in diesem Alter Freundschaft schlieÃen, finden Sie nicht? Ich bin froh, dass die beiden sich gefunden haben. Kimmi ist ein tolles Mädchen.« Ist sie ein tolles Mädchen? Dana hatte keine Ahnung.
»Aber eben Mädchen. Nicht einfach.« Als Nora den Kopf schüttelte, bewegte sich ihr kurzes mahagonifarbenes Haar lagenweise hin und her. »Sind Sie dieses Wochenende da?«, fragte sie plötzlich. »Wir haben ein paar Leute eingeladen, und ich fändâs schön, wenn Sie dazukämen.«
»Oh, lassen Sie mich mal nachdenken«, sagte Dana, während sie sich mit dem Finger auf die Lippen tippte, als überflöge sie einen mit Terminen vollgestopften Kalender. Dann fiel es ihr ein. Sie hatte tatsächlich etwas vor. »Samstagabend bin ich leider schon verabredet.« Enttäuschung machte sich in ihr breit: so viele Wochenenden ohne Einladungen, und jetzt musste sie eine ablehnen.
»Nein, es geht um Freitag. Nur ein kleines geselliges Beisammensein nach der Arbeit ⦠oder was immer Sie« â Nora wedelte mit den Fingern â »machen. Kommen Sie so gegen sieben â und bringen Sie Ihre Tochter mit, sie kann Kimmi Gesellschaft leisten.« Damit trat sie einen Schritt zurück und schob ihren Wagen langsam weiter zu den Kürbissen.
Dana wollte noch fragen, was sie mitbringen könne â vielleicht eine Vorspeise oder ein Dessert â, doch dazu hätte sie lauter sprechen müssen. Ein kleines geselliges Beisammensein, dachte sie. So was könnte ich wirklich mal gebrauchen.
Sie beendete ihren Einkauf und stellte sich an der Kasse an. Die Frau vor ihr versuchte, ein kleines Mädchen zu beruhigen, das mit dem Gesicht zu Dana im Kindersitz des Einkaufswagens saÃ. »Wir sind fast durch, Lolly«, sagte die Frau gerade. »Bleib noch einen Moment da drin sitzen, dann gehen wir â¦Â«
»Nenn mich nicht so!«, brummte das Mädchen, die Wangen gerötet und feucht. »Lolly ist ein Babyname! Ich bin kein Baby mehr!« Ungefähr vier , mutmaÃte Dana. Fast zu groà für den Einkaufswagen.
Der Mann vor ihnen hatte einen riesigen Einkauf auf dem FlieÃband liegen. »Der Preis da stimmt nicht«, sagte er in gequältem Ton zu der Kassiererin. »Da gibtâs zwei für einen.«
Die Kassiererin betätigte einen Schalter, worauf über ihnen ein Licht zu blinken begann. »Hector!«, rief sie. »Preiskontrolle!« Niemand antwortete. »Hector!« Das Licht blinkte weiter.
Dana konnte nur den Rücken der erschöpften Mutter sehen, hörte sie aber murmeln: »Oh Gott, bitte â¦Â« Das Mädchen fing an, sich in dem Sitz zu winden und nach Kaugummi und Bonbons zu grapschen. »Nein, Lolly â¦Â« Die Mutter schnappte die Hand ihrer Tochter in dem Moment, als eine Schachtel Twix-Riegel zu Boden fiel.
»Hey du«, sagte Dana in beruhigendem Ton zu dem Mädchen, als die Mutter sich bückte, um die Schachtel aufzuheben. Sie nahm eine Banane aus ihrem eigenen Einkaufswagen und hielt sie sich ans Ohr. »Einen Augenblick«, sagte sie zu Lolly, »ich bekomme gerade einen Anruf.« Dieses Spiel hatte sie oft genug mit ihren eigenen Kindern gespielt, wenn sie bei einem Besuch im
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