Die Zufalle des Herzens
ihn war es aber erst vorbei, als er beschloss, dass es vorbei war. Damals wie heute.
»Ãhm, Dana? Ich muss aufhören. Rufen Sie einfach zurück, wenn Sie sich wegen heute Abend entschieden haben. Ich werde nicht drangehen, versprochen. Kenny ist deswegen übrigens völlig am Boden zerstört.«
Gut , dachte Dana, während sie auf den Praxisparkplatz einbog. Ich hoffe, es geht ihm dreckig . Doch bevor sie antworten konnte, sagte Tina: »Die Schwester wartet. Bye.« Dann war das Gespräch beendet.
Dana saà bei ausgeschaltetem Motor hinter dem Steuer, während Tinas Worte in ihrer Brust widerhallten. Spröde und leblose Eichenblätter wirbelten, von spätherbstlichen Böen gejagt, über den Parkplatz.
Armer kleiner Kerl .
Grady, ihr lustiger, unberechenbarer Junge. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Kenneths Auszug ihn so tief getroffen hatte. Wie hatte ihr das entgehen können?
Es ist, als wüsste er nicht, ob er seinen Dad hasst oder liebt.
Dana schlug mit den Händen gegen das Lenkrad. Fahr zur Hölle, Kenneth! Aber wofür? Dafür, dass er sie verlassen hatte? So etwas passierte â das wusste Dana nur allzu gut. Manchmal gingen sie, obwohl sie weiterhin neben einem im selben Zimmer saÃen. Was in gewisser Hinsicht noch schlimmer war, weil man jeden Tag wieder zusehen musste, wie sie gingen.
Wenn sie einwilligte, dass Grady Halloween mit Kenneth in Hartford verbrachte (und wie konnte sie dagegen sein?), wäre sie allein. Morgan wäre bei Kimmi, Alder vermutlich mit dieser Jet unterwegs, und Dana bliebe die Aufgabe, SüÃigkeiten zu verteilen und Teenager davon abzuhalten, Klopapier in den Holzapfelbaum zu schmeiÃen, wie sie es Jahre zuvor schon einmal getan hatten. Schon der Gedanke daran deprimierte sie.
Am Rand ihres Gesichtsfelds bewegte sich etwas â Tony ging, die breiten Schultern gegen die Kälte hochgezogen, auf die Tür des Gebäudes zu. Eine Seite seiner ledernen Fliegerjacke schlug auf, und der Wind drückte seinen blauen Arztkittel gegen die leichte Wölbung seines Bauches. Er war etwa eins fünfundsechzig groÃ, riet sie.
Er erspähte sie in ihrem Minivan, blickte einen Moment zu ihr herüber und neigte dann den Kopf zu der Glastür hin, als würde er sie einladen, sich zu ihm zu gesellen. Sie stieg aus.
»Und wie gehtâs meiner vollkommen unverzichtbaren Sprechstundenhilfe heute Morgen?«
Sie versuchte zu lächeln. »Durchwachsen.«
»Ja?« Nachdem er die Tür aufgemacht hatte, hielt er sie ihr auf. »Einen Moment lang habe ich nämlich gedacht, Sie hätten vielleicht vor, unsere Patienten heute auf dem Parkplatz zu empfangen.«
»Das ist überhaupt eine Idee«, sagte sie, während sie ihre Jacke abschüttelte. »Ich könnte einen Parkservice anbieten.«
»Ich bin immer dafür, die Zufriedenheit der Patienten zu erhöhen«, sagte er lächelnd, »aber Sie habe ich doch lieber hier drinnen. Jemanden, der den Notarzt ruft, wenn ich mir in die Hand bohre oder so was.« Vor seinem Büro blieb er stehen. »Im Ernst â alles in Ordnung?«
Die Glocke an der Glastür bimmelte. Sie nickte ihm zu. »Danke, dass Sie gefragt haben.« Darauf ging sie zu ihrem Schreibtisch und begrüÃte den ersten Patienten.
Gegen neun klingelte ihr Handy. Es war Kenneth, aber sie ging nicht dran. Das Wartezimmer war voller Patienten, und sie wusste, es würde eine angespannte Unterhaltung werden. Nicht weil sie Grady zu Halloween abgeben musste; damit hatte sie sich abgefunden. Es war das Telefonat mit Tina, das ihr das Gefühl gegeben hatte, brüchig und ausgetrocknet zu sein, so als bestünde sie aus Stroh. Tina war jetzt für sie real, nicht mehr Kenneths imaginäre Freundin. Bis heute hätte sie auch Kenneths Kissen sein können â tröstlich vielleicht, aber ohne irgendwelche menschlichen Eigenschaften.
Dana akzeptierte, dass sie jemandes Exfrau war, die erste Mrs Stellgarten, und vermutlich nicht die letzte. Doch darüber hatte sich plötzlich ein deutlicheres Empfinden ihres eigenen Ãlterwerdens gelegt. Wie würde sie mit Kenneth reden? Als was würde sie sich selbst betrachten, jetzt, da sie so offensichtlich nur ein Gebilde seiner Vergangenheit war?
In der Mittagspause hörte sie sich die Nachrichten an, die er auf ihrem Handy hinterlassen hatte. Die eine von vergangener Nacht war kurz (wenn auch von
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