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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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nur Zeit gewinnen, sie nur lange genug aufhalten.
    » Ich wusste, dass es so weit kommen würde«, sagte einer der Wachsoldaten, den Blick gen Himmel gerichtet, und feuerte ein letztes Mal.
    Die Vorhut erreichte uns zu schnell. Ich warf das Gewehr weg und zog meine Messer. Wie der Tod selbst wirbelte und schlitzte ich, tänzelte, wich aus und wehrte ab. Um mich herum fielen die Männer, aber ich hatte mein Leben lang für Momente wie diesen trainiert– seit ich alt genug war, um zu begreifen, was ein Freak ist. Sie griffen mich zu viert an, aber sie hatten nicht die Ausbildung bekommen, die ich hatte, und ihre Zähne und Klauen konnten diesen Nachteil nicht wettmachen. Nur ihre Anzahl würde es früher oder später.
    Aber ich war fest entschlossen, so viele mit in den Tod zu nehmen, wie ich nur irgend konnte.
    Die ersten zwei starben schnell, brachen über ihren eigenen auf dem Boden verstreuten Eingeweiden zusammen. Die anderen beiden wurden etwas vorsichtiger, als sie das Schicksal ihrer Artgenossen sahen, täuschten an, zogen sich zurück und griffen wieder an, knurrten und fauchten. Wir konnten sie ein kleines Stück zurückschlagen, denn sie kämpften nicht wie eine organisierte Truppe, und einige bezahlten mit dem Leben, weil sie ihren Instinkten nachgaben und fraßen, statt zu kämpfen. Aber sie vergriffen sich nicht an ihren toten Artgenossen, wie ich es Unten gesehen hatte.
    Zwei weitere kamen herbei, und sie umzingelten mich. Vier Schläge konnte ich abwehren, aber der fünfte traf. Ich erwischte den Arm des Angreifers, und der Freak sprang mit einem Schmerzensschrei zurück. Mit dunklen, beinahe menschlichen Augen starrte er mich an.
    » Hast du geglaubt, ich lass mich einfach so von euch fressen?«, bellte ich.
    » Von euch fressen«, schallte es rasselnd aus der Kehle des Freaks zurück.
    Beinahe hätte ich meine Messer fallen lassen. Er hatte die Worte einfach nur wiederholt, ohne Sinn und Verstand, oder? Bestimmt konnte er nicht wirklich sprechen.
    Ich erholte mich gerade noch rechtzeitig von dem Schock, um dem nächsten Angreifer die Kehle aufzuschlitzen. Einen erwischte ich mit einer Drehung, die Pirscher mir beigebracht hatte, dann noch einen und noch einen. Meine Arme wurden müde, und ich wurde zweimal kurz hintereinander getroffen. Von Klauen glücklicherweise, nicht von ihren Zähnen.
    Wie lange noch?
    Neben mir starb einer der Männer und schrie ein letztes Mal nach seiner Frau.
    » Die Wagen sind drin!«, rief ein Junge hinter mir, ein mutiger Bote, der uns aus Erlösung die Nachricht überbrachte, dass sich unsere Tapferkeit gelohnt hatte.
    » Rückzug!«, brüllte Draufgänger.
    Die fressenden Freaks blickten von unseren Gefallenen auf, und das Blut tropfte von ihren gelben Fangzähnen, während sie unseren Rückzug beobachteten. Einige machten sich an die Verfolgung, aber Draufgänger gab uns Deckung. Er hielt Altes Mädchen umklammert wie eine Geliebte und feuerte Kugel um Kugel ab.
    Als ich mich kurze Zeit später wieder umdrehte, hatte er sich immer noch nicht von der Stelle bewegt. » Nein!«, schrie ich und blieb stehen. » Nein!«
    » Lauf, Zwei.« Draufgänger tippte sich mit zwei Fingern zu einem letzten Gruß an die Stirn und lud sein Gewehr nach. Ein weiterer Freak starb, und Draufgänger begann, ganz langsam rückwärtszugehen. Er hatte sie gelehrt, ihn zu fürchten, war unser Schutzwall. Wenn er nur endlich losrannte, konnte er es schaffen.
    Bitte tu das nicht. Ich will, dass du lebst.
    Ich machte zwei Schritte in seine Richtung und wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, als eine der Wachen mich von hinten packte. Er hob mich ein Stück hoch und zerrte mich weg. Als die Freaks Draufgänger überwältigten, der vor so vielen Monaten mein Leben gerettet hatte, schlug ich mit den Fäusten nach dem Wachsoldaten, der mich umklammert hielt, und musste tatenlos zusehen, wie Draufgänger noch im Feuern zu Boden ging.
    Ich schrie aus vollem Hals, während der Kerl mich in Richtung Erlösung weiterschleifte, wo ich mit dem Schuldgefühl würde zurechtkommen müssen, dass ich überlebt hatte und Draufgänger nicht.
    Der Wachsoldat schlug mir mit der offenen Hand ins Gesicht und funkelte mich an. » Lass sein Opfer nicht umsonst gewesen sein! Er hatte ein verkrüppeltes Bein, er konnte es gar nicht schaffen. Sie hätten ihn nur von hinten zu Boden gerissen, und so wollte er nicht sterben. Kapierst du das nicht?«
    Ich verstand, und wie. Die Jägerin in mir respektierte seinen Entschluss, aber

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