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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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Ich würde es überleben. Die anderen Frauen in Erlösung machten das Leben schon kompliziert genug. Seit dem ersten Tag tratschten sie über mich und vielleicht auch über Tegan. War das der Grund, warum sie so verzweifelt versuchte, sich anzupassen und neue Freundinnen zu finden, während ich mich darauf verlegt hatte, an der Seite der Männer zu kämpfen?
    Nachdem wir gegessen hatten, wusch ich die Teller, während die anderen sich im Wohnzimmer unterhielten. Es war eine einfache, stumpfsinnige Tätigkeit, und das warme Seifenwasser beruhigte mich. Der Abwasch war neben dem Nähen meine zweite Hauptaufgabe im Haus, und ich erledigte sie gern. Es war ein geringer Preis dafür, dass ich immer genug zu essen hatte. Da kam mir ein Gedanke: Selbst wenn ich mich weigerte, würde Oma Oaks immer noch für mich kochen. Sie war ein freigebiger Mensch.
    Draußen war es mittlerweile stockfinster. Edmund zündete ein paar Kerzen und Öllampen an. Das Licht war viel angenehmer als das der Fackeln, die ich aus der Enklave kannte, und sie rochen auch besser. Die Luft in Erlösung war überhaupt viel frischer und sauberer, selbst wenn es in der Ödnis jenseits des Tores nach Freaks stank.
    Oma Oaks setzte sich in einen Sessel neben Edmund und überließ mir und Bleich das kleine Sofa. Es schien ihm nichts auszumachen– er nahm sogar meine Hand. Vor nicht einmal zwei Stunden hatte ich ihn vor aller Augen auf die Wange geküsst, also war die Geste nur passend.
    Meine Pflegeeltern lächelten amüsiert über unsere offen zur Schau getragene Zuneigung.
    » Ich denke, wir sollten jetzt eine Geschichte hören«, sagte Oma Oaks.
    Edmund schien erfreut. » Nach welcher steht dir denn der Sinn, Mutter?«
    Ich fand es seltsam, dass er sie so ansprach, denn natürlich war sie nicht seine Zeugerin, aber es schien ihr nichts auszumachen.
    » Erzähl uns von der Stadtgründung.«
    Ich stöhnte innerlich. Mrs. James hatte schon so oft davon gesprochen, und jedes Mal waren meine Gedanken abgeschweift, lange bevor sie mit ihrem eintönigen Vortrag zum Ende kam. Andererseits wollte ich Edmund nicht verletzen. Ich hatte gerade erst gemerkt, dass auch er mich mochte, wenn auch auf seine eigene, weit weniger offene Art. Immerhin war er zum Tor gekommen, um sich zu versichern, dass mir nichts passiert war. Ich drückte sanft Bleichs Hand, als Zeichen, er solle es über sich ergehen lassen, und sein Lächeln ließ mich alle Einwände gegen eine weitere Geschichtsstunde vergessen.
    » Früher einmal«, begann Edmund, » hatten die Menschen pferdelose Wagen und sogar fliegende Kutschen, die in der Luft fahren konnten. Sie waren unglaublich schnell: In nur drei Stunden brachten sie einen vom einen Ende des Landes ans andere.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Die Überreste der pferdelosen Wagen hatten wir gesehen. Als verrostete Wracks lagen sie in den Ruinen der Stadt herum, die sie hier Gotham nannten. Aber nie hatte ich einen Hinweis auf so etwas wie eine fliegende Kutsche entdeckt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sie aussehen sollte. Etwa wie ein Vogel? Es war der gleiche Unsinn wie der, den der Worthüter uns über Oben erzählte, um uns unter Kontrolle zu halten. Aber wenn Edmund so fantasievoll weitererzählte, würde die Geschichte zumindest interessanter werden als Mrs. James’ Version.
    » Sie hatten Maschinen, die alle Arbeiten für sie erledigten. Sie lösten ihre Probleme, konnten rechnen und schreiben, und das machte die Menschen faul. Sie waren mit so vielem gesegnet, dass sie es irgendwann nicht länger zu schätzen wussten und immer mehr wollten, mehr und immer noch mehr. Und das wurde ihnen zum Verhängnis.«
    » Was ist passiert?« Bleich beugte sich nach vorn.
    Der Gedanke an Maschinen, die rechnen konnten, brachte seine Augen zum Leuchten, auch wenn er den Quatsch bestimmt nicht glaubte. Wie sollte ein solches Gerät aussehen, ohne Kopf zum Rechnen und ohne Hände zum Schreiben? Ich stellte mir einen aus mechanischen Teilen zusammengesetzten Menschen vor und lächelte versonnen. So unglaubwürdig die Geschichte auch sein mochte, so unterhaltsam und interessant war sie.
    » Es gab Kriege, viele davon, und sie wurden immer schlimmer. Der Drache kämpfte mit dem Adler, die Hydra mit dem großen Bären. Die Menschen ließen Feuer und Tod vom Himmel regnen, aber selbst das war ihnen noch nicht genug, so grausam waren sie geworden. Sie erschufen immer neue Waffen, Pulver und Gas…«
    Ich horchte auf. » Was ist Gas?«
    »

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