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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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ich dir gesagt, was ich für dich fühle. Als du nichts erwidert hast, dachte ich… Vergiss es.«
    » Was? Was hast du gesagt?«, bohrte ich nach.
    Bleich lachte erneut und schüttelte den Kopf. » Vergiss es. Du wirst dich anstrengen müssen, wenn du es noch einmal hören willst.«
    Was immer er gesagt hatte, bestimmt war es die Mühe wert. Mir fiel auf, dass Bleich auf der Kante des Sofas saß, wie er es auch getan hatte, als Edmund seine Geschichte erzählte. Es war exakt die gleiche Haltung gewesen. Ich überlegte, ob er vielleicht nervös war, aber noch bevor ich nachfragen konnte, wechselte er das Thema. » Bist du froh, dass wir zur Patrouille gehören?«
    » Natürlich bin ich froh. Ich brauche einen Zweck im Leben.«
    » Ich glaube, das geht jedem so.« Bleich zog mich an sich, und ich legte den Kopf auf seine Schulter.
    » Es fühlte sich gut an, wieder an deiner Seite zu kämpfen«, flüsterte ich.
    Sein Lächeln durchfuhr mich wie warme Sonnenstrahlen. » Und wie. Jetzt dürfte keiner mehr Zweifel an deinen Fähigkeiten haben.«
    Er hatte recht. Ich hatte meinen Platz in Erlösung verdient. Zumindest darüber war ich glücklich– trotz der Toten und meiner unausgesprochenen Sorge um die Zukunft. » Weißt du, wann wir das nächste Mal rausgehen?«
    » In zwei Wochen, hat Draufgänger gesagt. Es dauert eine Weile, bis die Samen auskeimen. Aber sobald das passiert ist, müssen die Pflanzer sich um sie kümmern.«
    » Andere Pflanzen herausreißen, die nicht auf die Felder gehören«, vermutete ich. » Und dafür sorgen, dass die Vögel die Sprösslinge nicht fressen.«
    » Genau das hat er gesagt.«
    Wenn auch die anderen Patrouillen so verliefen wie die heutige, hatten wir für den Rest des Frühlings genug zu tun. Mit weiteren Angriffen war zu rechnen, und wer wusste schon, was sich die Freaks noch alles einfallen ließen. Ich wünschte, ich könnte in ihre Köpfe schauen.
    Bleich stand auf. » Ich muss jetzt gehen. Deine Pflegeeltern haben uns etwas Zeit allein gegeben. Sie scheinen mir zu vertrauen, und ich möchte ihnen keinen Grund geben, es sich anders zu überlegen.«
    » Gute Nacht, Bleich.« Ich richtete mich auf und küsste ihn, bevor er gehen konnte. Der Abschied zog sich weit länger hin, als ich gedacht hatte, und schließlich riss Bleich sich mit einiger Anstrengung los.
    Keuchend stand er da, die Hände zu Fäusten geballt, als würde er sich verbieten, mich erneut zu berühren. » Ich muss jetzt wirklich gehen. Ich möchte nicht, dass sie mich das letzte Mal in ihr Haus eingeladen haben.«
    Nachdem er weg war, kroch ich in mein Bett, aber die Schuldgefühle, die mich wegen Pirscher plagten, ließen mich nicht schlafen. Ständig rechnete ich damit, dass es an meinem Fenster klopfte, und schließlich entriegelte ich es. Pirscher hatte eine Erklärung verdient. Ich durfte nicht länger so feige sein.
    Eine halbe Stunde später landete er lautlos auf dem Sims und kletterte herein. Die Kerzen, die ich angezündet hatte, ließen lange Schatten durch das Zimmer tanzen. In ihrem Lichtschein sah ich, dass Pirschers Wut einer stummen Verwirrung gewichen war.
    Er trat keinen Schritt näher und blieb am Fenster stehen. » Ich bin nur gekommen, weil ich es verstehen will. Warst du einsam? Hast du mich benutzt?«
    » Nein. Du warst mein Freund… und mein Sparringspartner. Das warst du schon lange, und du bist es immer noch.«
    » So hat es aber nicht ausgesehen«, knurrte er. » Du hast dich benommen, als könnte eines Tages mehr draus werden.«
    » Das tut mir leid.«
    » Und mir tut es weh«, erwiderte Pirscher verwundert, als hätte er das Gefühl bisher nicht gekannt.
    » Das wollte ich nicht.«
    Sein Lachen klang verbittert. » Dann kann ich dir ja wohl keinen Vorwurf machen, oder?« Er kletterte zurück aufs Sims, als wäre er fertig mit dem Gespräch– und mit mir–, und drehte sich noch einmal um. » Du wirst nicht glücklich mit ihm werden, Taube. Er ist viel weicher als du und ich. Irgendwann wirst du ihn zerbrechen.«
    Ich wälzte mich ruhelos im Bett herum und hörte immer wieder diese letzten Worte. Tief in meinem Innern fürchtete ich, Pirscher könnte recht behalten.

BIGWATER
    Eine Woche später kam Tegan mich besuchen. Ich war froh über die Abwechslung, denn ich verbrachte fast meine gesamte Zeit damit, mit Oma Oaks Kleider zu flicken.
    Von uns dreien hatte Tegan sich am meisten verändert. Sie war nie so blass wie ich oder Bleich gewesen, und ihre Haut war von Natur aus dunkler

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