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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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bräuchte keine Jungen auszutragen, nur weil andere es so wollten. Diese Art von Freiheit schien mir fremd, geradezu unverantwortlich. Unten hatte sich niemand darum geschert, was ich wollte. Alles, was zählte, war das Wohl der Gruppe. Was aber nicht bedeutete, dass Tegan unrecht hatte. Soweit ich es beurteilen konnte, hatte noch niemand das ideale Gesellschaftssystem gefunden, und es war ein Verbrechen, Leuten wehzutun, nur weil sie anderer Meinung waren. Aber genau so liefen die Dinge in der Enklave. Die Wölfe hätten Tegan ziehen lassen sollen, als sie sich weigerte, ihnen zu gehorchen.
    » Du bist so still«, unterbrach sie meine Gedanken.
    » Ich überlege nur.«
    Tegan sah mich erstaunt an. » Du klingst sehr ernst.«
    » Ich möchte nicht darüber reden«, erwiderte ich. Und Tegan wahrscheinlich auch nicht, aber das behielt ich für mich.
    Sie schien es in meinem Gesicht gesehen zu haben, denn sie akzeptierte meine Entscheidung ohne Widerspruch. Stattdessen wechselte sie zu einem anderen Thema. » Ich weiß, du hältst die anderen Mädchen für bescheuert, aber du würdest sie sicher mögen, wenn du ihnen nur eine Chance gibst.«
    Ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, aber ich nickte, um Tegan einen Gefallen zu tun. » Bestimmt sind sie eigentlich ganz nett.«
    Leider schien sie das als Aufforderung zu verstehen, und ihre Augen begannen zu leuchten. » Justine feiert heute ihren Geburtstag. Ich habe sie gefragt, ob ich dich mitbringen darf.«
    Justine war das Mädchen, das mich besonders gerne auf den Arm nahm, wenn ich in der Klasse vorlesen musste. Immer wieder stachelte sie Jungs an, mich zu ärgern. Zu ihr zu gehen war das Letzte, was ich wollte, aber Tegan schien wild entschlossen. Sie hatte mir so weit vertraut, dass sie mir hinaus in die Wildnis gefolgt war, also war es nur recht und billig, wenn ich mit ihr zu dieser Feier ging.
    » Was ist ein Geburtstag?«, fragte ich.
    Tegan blinzelte mich an. » Der Tag, an dem du geboren wurdest. Es ist ein Festtag, und die Leute geben dir Geschenke. Als meine Mutter noch lebte, haben wir ihn auch jedes Mal gefeiert.«
    Eine seltsame Vorstellung. » Warum sollten Leute einem Geschenke für etwas geben, das man gar nicht selbst vollbracht hat?«, bohrte ich nach.
    An meinem Namensgebungstag hatte ich Geschenke bekommen, weil ich es geschafft hatte, fünfzehn Jahre lang zu überleben. Ich hatte sie verdient. Dieses Geburtstagsritual ergab für mich keinen Sinn.
    » Weil sie dich mögen«, erwiderte Tegan, nachdem sie meine Frage anfangs offenbar für einen Witz gehalten hatte.
    » Jedes Jahr?«
    » Natürlich.« Sie musste ein Lachen unterdrücken.
    Ich versuchte, mich an die Vorstellung zu gewöhnen. » Weil man so lange durchgehalten hat?«
    Das musste der Grund sein.
    » So kann man es auch sehen…«
    » Muss ich etwas mitbringen?« Ich konnte auch teilnehmen, ohne den Sinn der Feier zu verstehen, solange ich Tegan damit nur eine Freude machte. Als Geste der Freundschaft.
    Sie nickte. » Das gebietet die Höflichkeit.«
    » In Ordnung. Wann?«
    » Heute Nachmittag. Ich werde dich abholen. Du wirst sehen, es gefällt dir. Ich hätte nicht geglaubt, dass das Leben je wieder so schön sein könnte.« Tegan war offenbar überglücklich.
    Ich dachte an meine Keule. Tegan würde sie nie wieder benutzen. Am liebsten hätte ich sie zurückverlangt, aber das war gegen jede Anstandsregel. Vielleicht konnte ich mir ja eine neue machen. Holz gab es hier jedenfalls genug.
    Kurz darauf ging Tegan, und ich machte mich auf die Suche nach Oma Oaks, um sie zu fragen, was ein geeignetes Geschenk für ein Mädchen wie Justine war. Ihr fiel tatsächlich etwas ein, und wir gingen gemeinsam los. Sie wollte mir helfen, etwas Passendes zu finden. Am Ende entschied ich mich für ein paar Haarbänder. Ich hätte nichts damit anfangen können, aber meine Pflegemutter schien überzeugt, Justine würden sie gefallen.
    » Es tut mir gut zu sehen, wie du endlich Freundinnen findest und dich in die Gemeinschaft einfügst«, sagte sie.
    Das war Tegans Verdienst, nicht meines, aber ich ließ das Missverständnis so stehen. » Das ist alles ziemlich neu für mich.«
    » Du machst deine Sache gut. Und ich bin stolz, dass du an den Sommerpatrouillen teilnimmst.«
    Ich bemerkte die Blicke der anderen und das Geflüster, das unseren Weg durch die Straßen begleitete.
    » Auch wenn nicht alle dieser Meinung sind«, sprach Oma Oaks weiter. » Sei einfach vorsichtig.«
    Ich schaute noch einmal in

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