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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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als die von Pirscher. Jetzt, nach mehreren Monaten in Erlösung, schimmerte sie wie Kupfer, was ihre dunklen Locken gut zur Geltung brachte. Tegan hatte sie zu einer raffinierten Frisur aufgetürmt, die ich selbst nie hinkriegen würde. Dazu trug sie ein gelbes Kleid, das Mrs. Tuttle eigens für sie hatte machen lassen.
    Ich vermisste Tegan und fragte mich, ob sie unsere Freundschaft vielleicht wieder aufnehmen wollte. Seit sich mein Verhältnis zu Bleich und Pirscher so grundlegend verändert hatte, konnte ich über bestimmte Dinge nicht mehr mit ihnen reden.
    Mit der Erlaubnis meiner Pflegemutter holten wir uns etwas zu trinken und gingen dann nach draußen zu der Schaukel. Ein paar Minuten lang war das Quietschen der Ketten das einzige Geräusch. In der Ferne hörte ich, wie ein paar Männer miteinander stritten, aber es schien nichts wirklich Ernstes zu sein. Kinder lachten. Schon die Grundstimmung in Erlösung war so vollkommen anders als in College. Unten war alles knapp, auch die Zeit zum Reden. Hier unterhielten sich die Leute einfach so miteinander, tauschten Neuigkeiten aus oder den letzten Klatsch und mussten nicht befürchten, dabei belauscht zu werden.
    » Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe, als ich…« Tegan sprach nicht weiter, denn sie wusste, ich würde auch so verstehen, was sie meinte. » Ich musste über so vieles nachdenken. Anfangs hatte ich Probleme mit meinem Bein, und als es allmählich besser wurde, kam die Schule. Ich wollte einfach dazugehören, und…«
    » Ich nicht.«
    » Du lebst nach deinen eigenen Regeln. Das respektiere ich, aber ich bin nicht wie du. Ich will, dass die Leute mich mögen. Es gefällt mir hier.«
    » Ich erwarte gar nicht, dass du bist wie ich«, erwiderte ich.
    Tegan lächelte. Sie hatte zugenommen während der letzten Monate und sah nicht mehr so zerbrechlich aus. Ihre Pflegeeltern sorgten gut für sie, und trotzdem hinkte sie stärker, als Fingerhut es je getan hatte. Der Gedanke an meine frühere Freundin machte mich traurig. Ich wusste nicht einmal, ob sie und Stein noch lebten, und wahrscheinlich würde ich es auch nie erfahren. Mit der Zeit würde Tegans Bein bestimmt verheilen. Sie musste nicht auf ewig humpeln. Sie war jetzt schon stärker als damals, als ich ihr das erste Mal begegnete.
    Entschlossen schob ich die Gedanken an die Vergangenheit beiseite. » Arbeitest du immer noch mit Doc zusammen?«
    Tegan nickte. » Ich habe viel gelernt. Er sagt, ich hätte Talent. Eines Tages kann ich vielleicht an seine Stelle treten.«
    » Macht es dir nichts aus, ständig mit Kranken und Verletzten zu tun zu haben?« Ich zumindest hätte das nicht ertragen.
    » Nein. Es gefällt mir sogar. Ich lerne, wie ich wirklich etwas bewegen kann.«
    Ich erinnerte mich, wie Pirscher in den Ruinen gesagt hatte, Tegan wäre zu nichts zu gebrauchen. Jetzt konnte er das nicht mehr behaupten.
    » Und was meint deine Pflegemutter dazu?«
    Sie seufzte leise. » Zuerst war sie nicht begeistert von der Idee. Sie sagte, bestimmte Leute würden etwas dagegen haben, aber Mr. Tuttle meint, sie werden es schon verwinden.«
    Ich fand, Erlösung konnte durchaus ein bisschen Veränderung gebrauchen. » Du wirst bestimmt eine gute Heilerin.«
    » Auf jeden Fall wollte ich nicht, dass du glaubst, ich hätte vergessen, worüber wir gesprochen haben«, fuhr sie fort. » Oder die Tatsache, dass ich ohne dich gar nicht hier wäre.«
    » Ohne Bleich auch nicht.« Hätte er sie nicht die meiste Zeit getragen, hätte Tegan den Marsch durch die Wildnis nicht überlebt. Pirscher hatte sich ein paar Mal mit Bleich abgewechselt, aber ich glaubte nicht, dass sie gerne daran erinnert werden wollte. Nach allem, was Tegan bei den Wölfen durchgemacht hatte, stand er immer noch tief in ihrer Schuld.
    Ich rutschte unruhig hin und her. An ihrer Stelle hätte ich bis zum Tod gekämpft. Niemand hätte mich auch nur angerührt, solange ich noch lebte. Es hätte erst gar keine ungeborenen Bälger in meinem Bauch gegeben, die sie aus mir hätten herausprügeln können. Gestorben wäre ich trotzdem, und Tegan hatte überlebt. Sie war keine Jägerin und hatte auf ihre Weise Widerstand geleistet. In der Enklave hätten die Ältesten sie wahrscheinlich ebenfalls zur Züchterin gemacht, denn es gab nichts, worin sie besonders gut war, und sie war gesund.
    Aber auch in College durfte man sich seiner Aufgabe nicht widersetzen, und genau das hatte Tegan getan. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter ihr gesagt, sie

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