Die Zuflucht
und bereute, dass ich nicht für ihn da sein konnte, ohne Bleich zu verärgern. Ich verstand einfach nicht, warum das so sein musste, aber junge Männer schienen einen Revierinstinkt zu haben wie Raubtiere.
» Ich werde dem Schmied erklären müssen, dass ich ihm eine Zeit lang nicht mehr zur Verfügung stehe«, sagte Pirscher, nachdem Edmund die Maße abgenommen hatte.
» Und ich gehe besser mal zu Mr. Jensen«, brummte Bleich verdrossen.
» Macht es euch etwas aus, wenn ich ihn begleite?«, fragte ich meine Pflegeeltern in dem verspäteten Versuch, sie doch noch in meine Entscheidungen einzubeziehen.
» Aber komm danach gleich nach Hause«, erwiderte Oma Oaks. » Ich werde etwas ganz Besonderes für dich kochen. Der Himmel allein weiß, wann du das nächste Mal etwas Anständiges zu essen bekommst.«
Essen dürfte meine geringste Sorge sein, wenn wir draußen auf den Feldern waren, aber ich wusste, Oma Oaks wollte mich unterstützen, wo sie nur konnte. Und vielleicht half mir ein köstliches Abendessen sogar dabei, mich daran zu erinnern, wofür ich kämpfte. Kocher und Schaffer standen nicht weniger hoch in meiner Wertschätzung als andere. Jeder hatte seine Aufgabe zu erfüllen, und jede Aufgabe war wichtig.
Bleich nahm meine Hand, und wir gingen zu den Ställen. Er fühlte sich warm an, und der Griff seiner Finger gab mir Sicherheit in einer Welt, die aus den Fugen geraten war. Seine Schönheit tat mir beinahe weh, aber es war der süßeste Schmerz, den ich je gekannt hatte, süßer sogar als die Schnitte von meinem Namensgebungstag. Denn dieser Schmerz wärmte mir das Herz, und am liebsten hätte ich ihn geküsst, auch wenn die gesamte Stadt zuschaute.
» Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, dass du dich mit mir freiwillig gemeldet hast«, sagte ich.
» Du brauchst mir nicht für das zu danken, was mir mein Herz gebietet, Zwei. Ich werde so lange an deiner Seite bleiben, wie du mich lässt.«
Ich fand seinen Kommentar seltsam. Ich hatte ihn nie zurückgewiesen, selbst dann nicht, als ich noch glaubte, er sei verrückt. Vielleicht hatte es mit den vielen Verlusten zu tun, die Bleich erlitten hatte. Tief in seinem Innern glaubte er wahrscheinlich, nichts könnte ewig Bestand haben. Nicht einmal wir beide. Dass ich ihn eines Tages verlassen würde, wie seine Zeuger es getan hatten, oder er würde fortgeschickt aus Gründen, die wir uns noch nicht einmal vorstellen konnten. In diesem Moment fasste ich den felsenfesten Entschluss, ihn nie im Stich zu lassen. Ich würde bei ihm bleiben und ihm beweisen, dass es Dinge gab, die für immer waren– dass das Band zwischen uns auf ewig Bestand haben würde.
Wir hatten die Ställe noch nicht einmal erreicht, da schlug uns schon eine wütende Stimme entgegen: » Wo zum Teufel warst du die ganze Zeit? Der Pferdedung schaufelt sich nicht von alleine weg.«
Die Worte Teufel und Pferdedung kannte ich nicht, aber an Bleichs wütendem Gesichtsausdruck sah ich, dass er sie schon öfter gehört hatte und sie wohl nichts Gutes bedeuteten.
» Auf Patrouille«, erwiderte er. » Morgen werden wir auf den Feldern Posten beziehen, also wirst du dir einen anderen Gehilfen suchen müssen.«
» Den Teufel werde ich!«, schimpfte Jensen und stapfte auf uns zu. Er war ein hässlicher Kerl, hatte eine schmächtige Statur und noch weniger Manieren. Er verströmte einen unangenehmen Geruch, stechend und irgendwie vergoren. » Willst du wieder den Riemen spüren?«
Als ich mir vorstellte, er könnte Bleich ausgepeitscht haben, sah ich rot. Gleichzeitig fragte ich mich, warum er nie davon erzählt hatte. Vertraute er mir nicht?
» Stadtvorsteher Bigwater hat den Befehl gegeben«, warf ich ein. » Ich glaube nicht, dass Sie etwas in der Sache mitzureden haben.«
Der Tierpfleger bedachte uns mit noch mehr Schimpfworten, und ich nahm Bleichs Hand. » Hol deine Sachen und komm mit zu mir. Du wirst hier keine einzige Nacht mehr verbringen.«
GNADENFRIST
Das Haus der Oaks roch vertraut und heimelig. Es war ein eigenartiger Gedanke, jetzt, da ich schon am nächsten Tag zu den Feldern aufbrechen und eine ganze Weile nicht mehr zurückkommen würde, aber der Duft von frisch gebackenem Brot war für mich gleichbedeutend geworden mit Sicherheit.
Oma Oaks kam aus der Küche und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. Ich hatte sie nicht gefragt, ob ich Bleich einladen durfte– und er hatte alle seine Sachen dabei. Verwirrung spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
» Was hat das
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