Die Zuflucht der Drachen - Roman
von Pattons Nachricht erzählt. Er hatte auf ihr Urteil vertraut, und Kendra hatte nicht vor, ihn zu enttäuschen. Patton hatte recht: Sobald die Informationen über den Standort der Artefakte durchsickerten, würden nicht wenige sich sofort auf die Suche nach ihnen machen wollen. Und er hatte auch recht damit, dass der Sphinx nur auf eine solche Gelegenheit wartete, um sie auszunutzen. Solange es also nicht absolut notwendig war, sich der Informationen über die versteckten Artefakte zu bemächtigen, würde sie die Sache auf sich beruhen lassen.
Den ganzen Herbst über war Kendra mit ihren Großeltern in ständigem Kontakt geblieben. Sie redeten am Telefon nicht offen über ihre Geheimnisse, aber sie hatten Mittel und Wege gefunden, sich über alles Wichtige auszutauschen, ohne die Dinge konkret auszusprechen. Seit der Sphinx als der Anführer der Gesellschaft des Abendsterns enttarnt worden war, schienen alle Aktivitäten der Gesellschaft zum Erliegen gekommen zu sein. Aber sie alle wussten, dass der Sphinx irgendwo lauerte, beobachtete und plante und nur auf einen günstigen Moment wartete, um zuzuschlagen.
Zwei Mitglieder der Ritter der Morgenröte hielten ständig ein Auge auf Kendra und Seth und ließen ihnen wenn nötig Informationen zukommen. Bisher hatte es keine beunruhigenden Zwischenfälle gegeben. Die zu Kendras und Seths Schutz abgestellten Personen wechselten ständig, aber einer ihrer Leibwächter war stets ein getreuer Freund wie Warren, Tanu oder Coulter. Die letzten vier Tage hatte Warren auf sie aufgepasst, zusammen mit einer anscheinend vertrauenswürdigen Frau namens Elise.
Kendra seufzte. Nach all den Schlichen und Listen, die sie während der letzten beiden Jahre erlebt hatte, fragte sie sich, ob sie jemals wieder irgendjemandem uneingeschränkt vertrauen würde. Vielleicht war dies ein weiterer Grund dafür, warum sie Pattons Nachricht für sich behielt.
Hinter sich hörte sie ein leises Rascheln. Als sie sich umdrehte, sah sie ein gefaltetes Stück Papier, das jemand unter ihrer Tür durchgeschoben hatte. Sie hob das weiße Blatt auf und faltete es auseinander. Je weiter sie in der darauf getippten Liste las, desto schmaler wurden ihre Augen, bis Kendra schließlich auf den Flur marschierte und sich vor Seths offene Zimmertür stellte.
»Glaubst du allen Ernstes, dass du zu Weihnachten einen Hängegleiter zum Drachenfliegen bekommst?«, fragte sie ihren jüngeren Bruder.
Seth, der gerade damit beschäftigt war, Eidechsen auf seine Mathehausaufgaben zu malen, schaute von seinem Schreibtisch auf. »Wenn ich nicht frage, kriege ich bestimmt keinen.«
Kendra streckte ihm die Liste hin. »Wer hat die hier sonst noch so bekommen?«
»Mom und Dad natürlich. Außerdem habe ich sie an alle unsere Verwandten gemailt, sogar an einige entfernte, die ich im Netz aufgespürt habe. Und ich habe ein Exemplar an den Weihnachtsmann geschickt, nur der Vollständigkeit halber.«
Kendra baute sich vor ihm auf und hielt ihm das Blatt unter die Nase. »Du hast dir noch nie so verrücktes Zeug gewünscht. Ein Satz maßgefertigte Golfschläger? Ein Whirlpool? Ein fliegendes Motorrad?«
Seth riss Kendra den Zettel aus der Hand. »Du zählst nur die teuren Sachen auf. Wenn du es dir nicht leisten kannst, mir einen Massagesessel zu kaufen, kannst du mir auch einen stinknormalen Drachen schenken, ein Videospiel oder einen Film. Auf meiner Liste stehen Ideen für jeden Geldbeutel.«
Kendra verschränkte die Arme vor der Brust. »Du führst doch wieder irgendwas im Schild.«
Seth starrte sie mit großen Augen und der leicht gekränkten Miene an, die er meistens aufsetzte, wenn er etwas verbarg. »Mir ist schon klar, dass ich nicht alles bekommen werde. Deshalb kann ich es mir aber trotzdem wünschen . Warum spielst du dich so auf? Bist du etwa der Grinch, der Weihnachtshasser?«
»Sonst gehst du Weihnachten immer strategisch vor und beschränkst dich auf die paar wenigen Wünsche, an denen dir wirklich was liegt – und im Allgemeinen funktioniert das auch. Du wollest nie was, das mehr kostet als ein Fahrrad oder eine Videospielkonsole. Normalerweise gestaltest du deine Wunschlisten realistisch. Woher dieser Wandel?«
»Sie übertreiben es mit Ihrer Analyse, Frau Professorin«, sagte Seth seufzend und gab ihr die Liste zurück. »Ich dachte eben, es könnte nicht schaden, meine Ziele in diesem Jahr höherzustecken.«
»Warum schickst du die Liste auch an Leute, die so entfernt mit uns verwandt sind, dass
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