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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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Ich sehnte mich so unendlich nach Bleich, nach seiner Umarmung.
    Noch bevor ich etwas erwidern konnte, nahm er mein Kinn in die Hand und suchte meinen Blick. Anscheinend überzeugte ihn das, was er in meinen Augen sah, und er lehnte die Stirn gegen meine.
    Mein Herz überschlug sich vor Freude. Es war ein heller, sonniger Spätnachmittag, was bedeutete, dass wir jederzeit entdeckt werden konnten. Diesbezüglich waren die Regeln hier zwar nicht so streng, trotzdem könnte ich Ärger bekommen, wenn Bleich mich einfach so in der Öffentlichkeit berührte. Es war mir egal.
    Â» Ich hab dich vermisst.« Ich hatte es nicht sagen wollen, aber es war die Wahrheit. Mein Geständnis fühlte sich an wie ein Zeichen von Schwäche, von Abhängigkeit und Verwundbarkeit.
    Als er den Kopf hob, leuchteten seine dunklen Augen heller denn je, wie die Sterne am Nachthimmel. » Ich habe es kaum ausgehalten ohne dich, aber ich dachte, du hättest dich für ihn entschieden. Ich wollte deine Entscheidung respektieren.«
    Â» Wir sind Freunde«, wiederholte ich. » Aber er ist nicht du.«
    Â» Hier ist alles anders als Unten«, flüsterte Bleich. » Es gibt keine Anstandsregeln.«
    Â» In Bezug auf was?«
    Â» Das.«
    Sein Kuss überraschte mich nicht, aber meine Reaktion darauf schon. Entzücken rollte über mich hinweg, sobald seine Lippen meinen Mund berührten, und ich presste mich an ihn, als wollte ich in ihn hineinkriechen.
    Bleich schlang die Arme um mich, als ginge es ihm genauso. Er zitterte am ganzen Körper.
    Die schiere Intensität dieses Gefühls machte mir Angst, und gleichzeitig machte sie mich glücklich. Das war also der Grund für die Geräusche, die ich nachts in College gehört hatte, wenn zwei Zeuger neue Bälger machten. Wegen des vielen Ächzens und Stöhnens hatte ich es mir immer als etwas äußerst Unangenehmes vorgestellt, wie eine Patrouille in den unerforschten Tunneln– eine Aufgabe, der man sich nur stellte, weil sie eben getan werden muss. Jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher.
    Als ich mich losmachte, schlug mir das Herz bis zum Hals, und ich konnte kaum atmen. Verwundert fuhr ich mir mit den Fingerspitzen über die Lippen.
    Â» Das ist gefährlich «, flüsterte ich. » Wie lange weißt du schon davon?«
    Â» Von was?«
    Â» Dass es so… so…« Ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte.
    Â» So schön sein kann?«, fragte Bleich.
    Das Wort » schön« kam mir zwar etwas schwach vor, aber ich wusste auch kein besseres, also nickte ich.
    Â» Seit ich dich das erste Mal geküsst habe«, antwortete er schließlich.
    Die Erinnerung daran war noch so lebendig, als wäre es erst gestern gewesen. Nachdem er das Turnier in College gewonnen hatte, hatte ich ihn aus der Menschenmasse gezogen, bevor er noch vollkommen die Kontrolle verlor und die Gratulanten angriff. Wir standen ein Stück abseits, während er allmählich wieder zu Atem kam.
    Â» Ich hatte noch nie einen Partner, der sich so um mich gekümmert hat«, sagte er, und ich bekam das Gefühl, dass ich zu weit gegangen war. Er hatte vor mir bereits zwei andere Partner gehabt, also wusste er besser, was normales Verhalten war. Vielleicht kümmerte ich mich zu sehr um ihn. Das war unangemessen, und Seide würde mich zur Zeugerin degradieren, wenn sie es herausbekommen sollte.
    Â» Ich muss zurück«, murmelte ich.
    Â» Noch nicht.« Er war so unverschämt, mir das Zopfband aus dem Haar zu ziehen, sodass es mir ins Gesicht fiel.
    Â» Warum hast du das gemacht?«
    Er schob die Strähnen aus meinem Gesicht, und mein Atem blieb stehen. Er berührte mich. Einfach so. Wir bewegten uns auf gefährlichem Gebiet. Wenn jemand uns beobachtete …
    Â» Ich wollte sehen, wie du aussiehst.«
    Zieh dich zurück, sagte ich zu mir selbst. Geh weg, jetzt. Aber ich stand wie angewurzelt da und blickte hinauf in seine dunklen Augen.
    Bleich neigte den Kopf und berührte meine Lippen mit seinem Mund. Seine Haare strichen gegen meine Stirn, glatt und erschreckend. Ich war wie gelähmt vor Schock. Vor Schock und noch etwas anderem. Ein Teil von mir wollte sich an ihn lehnen. So etwas sollte ich nicht wollen. Nicht eine Jägerin. Scham, Verwirrung und Sehnsucht kämpften in mir. Wider besseres Wissen ließ ich zu, dass meine Stirn seinen Kiefer streifte. Einen Moment lang

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