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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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hältst, auch wenn die Leute möglicherweise darüber reden.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. » Danke, Oma Oaks«, sagte ich mit einem Lächeln.
    Edmund war anderer Meinung als seine Frau. Beim Abendessen wurde kaum ein Wort gesprochen, und danach hörte ich die beiden miteinander streiten. Mein Pflegevater schien es mir verbieten zu wollen, aber sie entgegnete, ein Verbot würde mich nur aus dem Haus treiben wie damals Rex.
    Wusste ich doch, dass es einen anderen Grund gibt, warum er sie nie besucht . Trotzdem ging es mich nichts an.
    Der Schlaf kam schnell, und falls ich einen Albtraum hatte, konnte ich mich beim Aufwachen nicht mehr daran erinnern. Ich stand früh auf, zog meine Jägerinnenkleidung an und aß etwas Brot mit Schinken, während Edmund noch schnarchte. Nach dem Frühstück wusch ich mich und flocht mir Zöpfe. Ein paar Minuten später schlüpfte ich mucksmäuschenstill aus dem Haus und eilte durch die Stadt.
    Wie mit Draufgänger vereinbart, fanden sich alle Teammitglieder noch vor Anbruch der Dämmerung bei den Baracken ein. Bleich und Pirscher waren bereits da und warteten ungeduldig– ob auf mich oder darauf, endlich wieder Abenteuer zu erleben, war schwer zu sagen. Während der vergangenen Woche hatte ich jede Nacht mein Fenster verriegelt. Pirscher fragte sich sicher, weshalb, aber ich hatte beschlossen, es ihm erst zu erklären, wenn wir unsere neue Aufgabe aufgenommen hatten. Es schien mir klüger. Vielleicht war ich aber auch einfach nur feige. Ich musste mir genau überlegen, was ich tat und wann, um nicht irgendwann unter dem Druck zusammenzubrechen.
    Trotz unserer neuen Vereinbarung machte Bleich keine Anstalten, mich zu berühren, und dafür war ich dankbar. Die anderen Patrouillenmitglieder sollten nichts davon mitbekommen, und sie sollten mich nicht als Frau sehen– was ein weiterer Grund war, weshalb ich meine Jägerinnentracht angelegt hatte. Prompt tuschelten sie miteinander, als sie mich sahen, und ich seufzte. Die Vorschriften, die hier für uns Frauen galten, waren einfach lächerlich.
    Glücklicherweise interessierte sich unser Patrouillenführer herzlich wenig für meine Kleidung und gab bereits erste Anweisungen: » Am Tor treffen wir uns mit den Pflanzern und werden sie zu den Feldern eskortieren. Sobald wir dort sind, teilen wir uns in Vierertrupps auf. Einer bleibt ständig bei den Arbeitern, die anderen patrouillieren.«
    Â» Wechseln wir durch?«, fragte einer.
    Eine kluge Frage. Ich verzieh ihm den seltsamen Blick, den er mir wegen meiner Hose zugeworfen hatte.
    Draufgänger nickte. » Das werden wir, damit niemand sich langweilt und bei seiner Aufgabe noch einschläft.«
    Das war eine schlaue Vorsichtsmaßnahme. Wenn dieselben vier zu lange den Pflanzern bei der Arbeit zusahen, würden sie früher oder später unaufmerksam, und dazu war die Aufgabe zu wichtig. Ohne Ernte hätten wir im Winter nicht genug zu essen; das Fleisch der Schlachttiere allein würde nicht reichen. Das war mir bewusster als den meisten anderen hier. Unten hatte es zu den eisernen Regeln gehört, immer genug Proviant auf Vorrat zu haben. Es war genau vorgeschrieben, wann wir wie viel von was essen durften, andernfalls bezahlten wir mit Schwäche oder Krankheit, und das konnten wir uns nicht leisten.
    Ich fragte mich, ob die Ältesten wirklich so viel über Ernährung gewusst hatten, wie sie immer vorgaben, oder ob der frühe Tod, der alle in der Enklave ereilte, vielleicht durch ihre Borniertheit mitverschuldet war. Irgendwann musste einer der Worthüter beschlossen haben, es sei besser, willkürliche Regeln aufzustellen als gar keine. Wenn sie etwas nicht wussten, dachten sie sich einfach etwas aus. Bestimmt gehorchte alles irgendwelchen Gesetzen, aber ich hatte mich damit abgefunden, dass ich sie nie alle verstehen würde. Wie das Leben funktionierte, war mir ein Rätsel.
    Ich konzentrierte mich wieder auf Draufgänger, der ein paar letzte Anweisungen gab. Immer zu zweit nebeneinander gingen wir in Marschformation– weit geordneter, als ich das von Unten gewohnt war, aber ich lernte die Ordnung schnell zu schätzen.
    In krassem Gegensatz zu uns standen die Pflanzer in einem wilden Haufen beisammen, als wir am Tor ankamen. Es waren sowohl Männer als auch Frauen unter ihnen, ausgewählt, weil sie gut darin waren, Dinge zum Wachsen zu bringen. Leider waren die

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