Die Zukunft des Mars (German Edition)
Tür. Offenbar hofft er, dass sich das, was auf ihren Flügeln klebt, so absprengen lässt. Toctoc ist kräftig. Sie sieht, wie sich auf seinem Arm, auf seiner rechten Schulter und hinab bis in die Waden die Muskeln spannen. Die Faust ist ganz in der Tür verschwunden, und jetzt scheint Toctocs Handgelenk noch ein wenig tiefer einzudringen, als gebe das widerständige Unbekannte allmählich nach, als lasse sich seine Oberfläche von der Fuge wegbiegen.
Dann schreit er los. Aber mehr noch als Toctocs Schreien erschreckt sie, dass es ihm nicht gleich gelingt, die Faust aus der Tür zurückzuziehen. Als er es endlich schafft, als er entgeistert auf die befreite Hand starrt, ist diese blutig, die unteren Glieder der drei längsten Finger sind aufgerissen. Als Barmherzige Schwester, die vier Nothelfern vorsteht und selber Nothelferin gewesen ist, wäre es nun an ihr, sich sofort um die Versorgung der Wunden zu kümmern. Stattdessen wendet sie die Fackel gegen die Tür, stößt die glimmende Spitze in das Loch und drückt die Glut auf das, was Toctocs Hand gebissen hat. Da es anscheinend einen Mund hat, will sie nun hören, ob es damit auch schreien kann.
Es zischt, es brutzelt fast, aber es schreit nicht. Toctoc, der Bleiber und sie bekommen auch keinen anderen Weh- oder Klagelaut zu hören, und dann stößt ihre Fackel ohne jeden weiteren Widerstand durch das Loch ins Leere. Sie fädelt sie vorsichtig zurück und, wie von der glühenden Spitze mitgezogen, weht ein Geruch auf ihre Seite. WährendToctoc gebannt auf seine Hand gafft, als warte er auf die Ankunft der Schmerzen, schaut ihr der Bleiber erschrocken ins Gesicht, denn seine und ihre Wahrnehmung sind frei genug, das Gerochene zu erkennen. Wie töricht, zu befürchten, der Heimlichschreiber Porrporr oder die eigenbrötlerische Twitwi hätten die Türflügel blockiert. Wie naheliegend dumm, gerade diese beiden in Verdacht zu haben. Es riecht, und jeder, der im Kugelhaus unter Anleitung des jeweils lehrenden Nothelfers gewerkelt und gelernt hat, kennt diesen süßlichen und zugleich scharfen Duft. Ein Kind könnte ihn nun erkennen und benennen, falls es mit seiner Jahrgangsklasse bereits geübt hat, wie man Freund Mockmock, wie man frisch gebrochene Mockmockschuppen in der Flamme einer Öllampe vorsichtig trocknet und dann allmählich – auf keinen Fall zu schnell! – genießbar knusprig röstet.
Sechsmalsechs
D er Tag hält an. Wenn es da oben einen gibt, der jeden Tag mit unsichtbarer Tinte in das Buch des Himmels schreibt, dann kann er bei der Niederschrift des heutigen kein Ende finden. Der Tag hält einfach an. Meine einstigen Kugelhauskameraden empfinden dies wohl ähnlich. «Die Sonne mag gar nicht untergehen!», seufzte Twitwi eben, und Spispi und Hoho nickten grunzend, so bild- und klanggleich, wie es nur die beiden Dickschädel zustande bringen. Erschöpft vom Staunen, vom Immer-Wieder-Hinknien und Betasten, vom Gar-nicht-Glauben-Wollen sitzen wir vor dem Rand der ungeheuren Warmsteinplatte, halten die Sohlen unserer Mockmock-Galoschen gegen Sursurs besten und letzten Fund gedrückt.
Wie gut es tut, Twitwis Gehilfen mit Muße zu betrachten. Mein Blick pendelt von Mützchen zu Mützchen, erneut erfüllt mich heftiges Wohlgefallen. Wir schulden Spispi und Hoho Dankbarkeit. Auch wir hatten die entscheidenden Worte gehört, aber uns war nicht aufgegangen, was daraus gefolgert werden musste. Gerade als wir beschlossen hatten, das fremde Mädchen aus der Werkstatt hinüber ins Sonnenhaus zu tragen und dort auf den Altar zu betten, schlug sie die Augen auf. Deren doppeltes Blau war klar und frei von Furcht. Hilflos erschrocken trat ich, der Heimlichleser aller Heiligen Bücher, einen Schritt zurück, stolperte über Twitwis Fuß und wäre beinahe auf den Boden ihrerArbeitsstätte hingeschlagen. Twitwi hingegen wich nicht von der Stelle. Aber auch ihr stockte gewiss das Denken, als der Blick des Kindes zweimal über unsere Gesichter streifte, ehe sie fragte, wo ihre Mutter, wo ihre Mama, von der wir sicher wüssten, dass sie Elussa heißt, hier unten, in der Hölle, zu finden sei.
Die dickköpfigen Brüder packten sie, als wäre dies die einzig angemessene Antwort, bei den Füßen, schwenkten ihre Beine über den Rand des Tischs, nahmen dann ihre Hände, um sie ins Sitzen hochzuziehen. Durch die Fenster der Werkstatt für unsichtbare Kräfte, durch die Quadrate aus bestem, fast daumendünn gespaltenem Glas, floss eben so viel Morgenhelle, dass sie sich mit
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