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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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ist. Jetzt sagt die Teufelin, draußen würde es hell, und dann noch, sie müssten sich nun entscheiden, weil die Kleine weiterhin gefährlich kühl sei. Beinahe wäre Alide laut damit herausgeplatzt, dass ihr mindestens genauso kalt ist. Seit sie nicht bloß die Füße und die Waden, sondern auch ihren ganzen Rest, sogar die Kringelmulde ihres Nabels, wieder spüren kann, ist sie richtig am Schlottern. Es friert sie genauso fürchterlich wie damals, als sie und ihre Mutter bei strömendem Regen in Germania angekommen waren und den ganzen langen Zickzackweg, vom Bahnhof durch die fremden Straßen bis zur Wohnung, die die Wohnung ihres Onkels gewesen war, zu Fuß hinter sich bringen mussten. Elussa zerrte sie hinter sich her, weiter und weiter, obwohl Alide überhaupt keine Kraft mehr in den Beinen hatte und ihr Rucksack mittlerweile mindestens doppelt so viel wog, wie er in Sibirien gewogen hatte. Später erzählte ihr Elussa, sie sei im Laufen eingeschlafen und, träumend und blindlings weiterstolpernd, habe sie sich flüsternd mit ihrem verstorbenen Kaninchen darüber unterhalten, wie es diesem im Kaninchenhimmel und ihr selber im herbstlichen Germania gefalle.
    Alide versteht nicht, warum es hier, in der Hölle für todsündige Mütter, so schrecklich kalt ist. Sie ist sich sicher, irgendwann gehört zu haben, die Teufel würden unentwegt Holz und Kohle in die Mäuler eiserner Höllenöfen schleudern, und alle Sünder litten in der Hitze schrecklich Durst, bekämen aber zur Strafe für ihre schlimmen Taten keinen Tropfen Wasser oder Tee, um den Brand in ihrem Hals zu löschen. Sie hat vor lauter Kälte Durst. Haben die Teufeldas jetzt gehört? Zumindest hat die Teufelin gesagt, sie wollten es noch einmal mit warmer Milch versuchen. Man klappert hinter ihrem Kopf herum, und dann hört sie es plätschern. Das muss die Milch sein. Im Nu ist eine Hand unter Alides Kopf, etwas drückt gegen ihre Unterlippe, sie riecht die Teufelsmilch, und schon sind ihre Zunge, ihr Gaumen und ihr Hals gierig dabei zu trinken, obwohl sie Milch eigentlich überhaupt nicht ausstehen kann. Es schluckt und trinkt in einem fort, selbst wenn Alide wollte, könnte sie nichts dagegen machen.
    Die Teufel freuen sich. Alide hört die beiden Unterteufel juchzen und kieksen. Die Oberteufelin befiehlt ihnen so barsch, wie auch Elussa sein kann, nicht herumzualbern, sondern sich stattdessen wieder um Alides Füße zu kümmern. Schon sind sie brav am Drücken und am Kneten. Das fühlt sich nun, nachdem die Höllenmilch überall hingeströmt ist, noch schöner, noch wohliger als vorhin an. Alide versucht sich darauf zu besinnen, wie die Höllenmilch geschmeckt hat. Aber statt süß oder bitter, salzig oder sauer, fällt ihr immer nur die Farbe ein, als hätte die Milch, die ihre Augen nicht gesehen haben, ganz weiß, so weiß wie Schnee, so weiß wie Mehl, so weiß wie die Farbe Weiß geschmeckt.
    Erst neulich hat ihre Klasse in Sach- und Menschenkunde gelernt, dass alle Tiere, die ihren Kindern ihre eigene Milch zu trinken geben, Säugetiere heißen. Prompt schnellte der Zeigefinger der kleinen Chang in die Höhe, und die blöde Wichtigtuerin erzählte, wie viel leckere Milch tagtäglich aus den beiden Ziegen ihrer Tante, die im Territorium des Alten Ogo wohnt, herausgemolken würde: Zwei große Eimer voll! Das war bestimmt gelogen. Vielleicht hatte sie sich sogar die Ziegen ausgedacht, um mit der vielen erfundenen Milch prahlen zu können.
    Hier, in der Hölle, könnte es allerdings, eher als Kühe,solche Ziegen geben. Alide stellt sich blitzschnell vor, dass sie gestrickte Mützchen zwischen den Hörnern tragen, um ja nicht an die dicken, zottig behaarten Euter dieser Höllenziegen denken zu müssen. Gerade als sie froh ist, dies geschafft zu haben, wird sie von einem anderen Bild hereingelegt: Schon sitzt sie, wie jeden Freitag, mit Elussa in der Badewanne. Das Wasser, für das sie eine Menge des schönen, teuren Holzes in den Badeofen geschoben haben, ist ihr anfangs wie immer ein bisschen zu heiß, aber noch während sie denkt, dass sie wieder aufstehen muss, hat sie sich schon daran gewöhnt und findet es vom Hals bis an die Zehenspitzen wunderbar weich und warm. Dann jedoch wird die Haut des Seifenwassers, die Schicht aus trübem, feinporigem Schaum, dünner und dünner, und deshalb kann Alide gar nicht anders, als den Busen ihrer Mutter anzugucken, aus dessen dunklen Spitzen sie als Baby Menschenmilch getrunken haben soll. Ein Glück, dass

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