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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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dem Schein der Öllämpchen die Waage hielt. Alide, die uns in diesem zwielichtigen Moment noch nicht verraten hatte, dass das ihr Name war, schaute sich um. Dann schüttelte sie den Kopf, so heftig, dass getrockneter Heilbrei von ihren Zöpfen flog, und sagte: «Ihr schwindelt. Hier bei euch sieht es aus wie im Bastelraum unserer Schule. Ihr könnt gar keine echten Teufel sein. Ihr tut bloß so. Versucht das bloß nicht bei meiner Mama, die lässt sich keine Lügerei gefallen!» Und schon sank sie, erneut in Schlaf gefallen, zur Seite und wäre, wenn Twitwi sie nicht aufgefangen hätte, an der Kante des Tischs vorbei geplumpst.
    Auch jetzt, am Rand der großen Warmsteinplatte, auf dem wirren Faltenwurf der großen Plane, die einmal das Dach der Grabungshütte war, ist unser blauäugiges Mädchen schon wieder eingenickt. Sie liegt, die Arme um den Kopf geschlungen, in Twitwis Schoß. Am Morgen, in der dämmrigen Werkstatt, war ich drauf und dran gewesen, ihre nackten Beine wieder auf den Tisch zu drehen. Wahrscheinlich hätte ich dann frischen Brei gekocht, um das Mädchen erneut von Kopf bis Fuß mit diesem einzustreichen. Vor Aufregung darüber, dass sie sprach, hatten Twitwi und ichnicht wahrgenommen, was uns da von der plötzlich losplappernden Kleinen verraten worden war. Anders Spispi und Hoho. Die beiden hingen im Nu an meinen Ärmeln, brabbelten mir spuckesprühend in die Ohren, die Mutter des Mädchens komme noch, vielleicht sei sie schon eingetroffen, wir müssten wieder hin, und auch die Kleine solle, schlafend oder wach, sogleich dorthin zurück, wo sie gefunden worden war.
    Obwohl ich als Vierter Hand anlegen konnte, war der Weg beschwerlich. Alide kam in immer kürzeren Abständen zu sich, schnellte mehrmals so heftig in die Höhe, dass sie uns beinahe von der Karre stürzte, sprach ein paar Sätze, die wir allesamt, trotz ihrer Klarheit, nicht in einleuchtende Zusammenhänge fügen konnten, und wir bereuten bald, dass wir nichts mitgenommen hatten, um sie auf der Ladefläche festzubinden. Zumindest wie sie und ihre Mutter hießen, haben wir irgendwann auf halber Strecke sicher verstehen können.
    Unsere Alide war gerade wieder bei sich, als wir das Grabenlabyrinth erreichten. Sie kletterte sogar alleine von der Karre und bestand darauf, das letzte Stück ungestützt zu gehen. In der Werkstatt hatten wir ihr die zweiten Sachen Twitwis angezogen. Die Ärmel des Kittels und die Hosenbeine waren hochgekrempelt, und da Twitwis Füße mädchenhaft zierlich sind, rutschten Alides Fersen kaum aus den Schlüpf-Ovalen der Galoschen. Spispi und Hoho waren bei ihr, als sie in die Enge des scheinbar erstbesten Grabens hinabmarschierte, der sich dann schmerzhaft schnell als der richtige erwies.
    Twitwi und ich waren ein Dutzend Schritte hinter die drei zurückgefallen. Wir wollten wohl beide ein paar Sätze tauschen, ohne dass die Gehilfen Ohrenzeugen wurden. Wir suchten, jeder für sich, nach einem Anfang. Vielleicht wollte Twitwi mir endlich sagen, worauf Alide gefunden wordenwar. Vielleicht hätte sie mir nun verspätet geschildert, wie sie Sursur aus den Trümmern der Grabungshütte geborgen hatten, wie Alides Stelle, die von ihr geformte warme Kuhle, von Sursur eingenommen worden war. Und ich hätte in Seligem Tausch gleich Wichtiges, vielleicht noch Wichtigeres an sie verraten. Aber es kam nicht mehr dazu.
    Spispi oder Hoho stießen quäkende Überraschungslaute aus, denen sogleich wimmerndes Klagen folgte. Alide hingegen blieb stumm, bis wir zu ihnen aufgeschlossen hatten und betrachten mussten, worauf die drei gestoßen waren. Das Gesicht des kleinen Mädchens, auf dem der harte Brei inzwischen zu vielen winzigen mattblauen Parzellen zersprungen war, zeigte keinerlei Erschrecken, nicht einmal Fassungslosigkeit, nur augenweite Neugier. Und dann fragte sie uns, ob wir diesen toten Mann kennen würden und was dem Armen – so viel Blut im Sand! – denn Schlimmes zugestoßen sei.
    Dass Sursur tot war, tat uns mit dem ersten Hinschauen die fürchterliche Größe seiner Wunde kund. Kreisförmig klaffte sie auf seinem Bauch, nicht völlig mittig, sondern leicht nach links verschoben. Aus Kittel und Haut schienen, wie mit bestem Altweltwerkzeug, gleichmäßig runde Scheiben weggeschnitten. Und nicht genug damit: Dem Rumpf des Alten fehlte leibtief ein zylindrisches Stück. Rückblickend wundert es mich, wie selbstverständlich Twitwi diese Öffnung ausmaß. Mit ihr durften wir feststellen, dass der Durchmesser der

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