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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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während wir Alides Worten lauschten, nicht anders ergangen sein. Noch nie haben wir vier ein Tier betrachten, geschweige denn berühren dürfen. Wenn es nur hierzu käme! Ich spüre die Kraft meiner Sehnsucht, genieße ihr Ziehen bis hinein in eine von meinem Sehnen hervorgezogene Angst: Was wäre, wenn wir plötzlich ein solches Lebewesen auf Füßen oder Pfoten vor uns stehen hätten? Falls statt Alides Mutter ein Erdentier auf dieser ungeheuer großen Warmsteinplatte landen sollte, müssten wir dann – wie Hund und Bär, wie Bär und Hund – wegen einer unvorhersehbaren, unerträglich argen Ähnlichkeit die Zähne voreinander fletschen?
     
    Das Buch ist weg. Es wollte woandershin und ließ sich von ihren Händen, von Elussas innigem Behaltenwollen nicht daran hindern. Das große Buch, an das sich ihre Arme klammern durften, hat sich Elussa entrissen, als wäre es lebendig. Erst ganz zuletzt, während seine harten Kanten ihre Umarmung schaukelnd sprengten, erfühlte Elussa, wie weich die oberste Schicht des Einbands war, so gummiartig oder fleischig weich, dass sich ihre Finger in den Deckel pressen konnten. Alide liebt es, wenn sie die Nägel nicht praktisch kurz hält, am allerliebsten aber sieht sie die mütterlichen Fingernägel dazu noch rot lackiert. An der Gemeindeschule, vor allem in Religion, und vollends vor einem männlichen Einzelschüler wie Spirthoffer, kann Elussa sich dergleichen natürlich nicht erlauben. Aber über die freien Weihnachtstage wollte sie ihrem Töchterchen diesen Gefallen ausnahmsweise wieder einmal tun. Vielleicht ist es sogar dazu gekommen. Vielleicht hat sie sich eben vorhin mit festtagsrot lackierten Nägeln an das nun flüchtig gewordene Riesenbuch gekrallt.
    Spirthoffer hatte ihr zu Beginn des letzten Unterrichts angekündigt, dass es im neuen Jahr nicht bei den Büchern bleiben werde. Er sei seiner verstaubten Wälzer und Broschüren doch ein wenig müde. Er sehne sich nach Bildern, die sich eigenmächtig schnell voranbewegten, nach Worten aus fremden, längst verstummten Kehlen, denen Schüler und Lehrerin wie den Stimmen guter Geister lauschen dürften. Und dann fragte der Alte über den Tisch hinweg die rechnende Alide: «Alidchen, hast du schon einmal einen Film geguckt?» Ihr Töchterchen nickte sofort. Das war geschwindelt, eigentlich sogar ziemlich frech gelogen. Alide hatte weder in Novonovosibirsk noch in Germania vor einem Bildschirm oder einer Leinwand gesessen, auf deren Weiß oder in dessen Glas sprechende Köpfe und kunterbunt dahinfließende Welt zu sehen gewesen wären.
    Elussa selbst brauchte in der ofenwarmen, schläfrig machenden Luft des Elektronischen Hospitals ein zähes, blind tastendes Weilchen, bis sich die letzte einschlägige Erinnerung einstellen wollte. Im Novo Centre Globo Language war es wenige Wochen vor ihrer Abreise zumindest beinahe hierzu gekommen. Elussa hatte ihren Chef ertappt. Als sie, ohne zu klopfen, in sein Büro marschierte, starrte er, den dünnlippigen Mund schief offen, auf ein nicht einmal fingerdickes, schulheftgroßes Gerät, das sie, die Hand noch an der Klinke, als bildgebend erkannte. Seit ihrer Kindheit war ihr kein funktionsfähiges Exemplar mehr vor Augen gekommen. Im Chefbüro von Novo Centre Globo Language schob der Überraschte schnell ein weißes Blatt über das schillernde Rechteck. Damals war, zwischen Tür- und Schreibtischkante, ein heftiges Verlangen, fast ein Hunger in ihr aufgeflammt. Hätte der Leuchtschirmgaffer ihr mit einer schamlos schlichten Geste angeboten teilzuhaben, sie wäre um den Tisch herumgekommen und hätte sich, Schulter an Schulter mit ihm, über das Gerät geneigt, egal was es darauf zu sehen gegeben hätte.
    Spirthoffer meinte, und es klang seltsam vergnügt, in dieser Sache habe das Wetter des Großen Winters ratzeputz reinen Tisch gemacht. Elussa möge ihm glauben, er wisse, wovon er spreche. Hier in Germania, das damals noch seinen alten Namen tragen durfte, hätten seine Pupillen, angstklar und schreckensweit wie nie zuvor, das atmosphärische Geschehen in sich hineingesogen, so begierig, als hätte ein Augendurst jahrzehntelang genau auf diesen Trank gewartet. Nicht nur bei Nacht, sondern auch an den dämmrig trüben Tagen seien durch die bedrohlich tief hängenden, stumpf aschegrauen Wolken elektromagnetische Entladungen geblitzt, gespritzt, gewabert, in Farben und Formen, wie sie in den hiesigen Breitengraden seit Menschengedenken niemals Himmelsbild geworden seien.
    Noch heute,

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