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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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schildern, wie er im Weiteren an seinem Werktisch verfahren war, und steuerte stattdessen entschieden auf den Wendepunkt seiner Geschichte zu. Durch just dieses Spielzeug habe er den Don persönlich kennenlernen dürfen. Denn anstelle der beiden angeblichen Tanten, die einen ebenso zweifelhaften Neffen beschenken wollten, sei schon zwei Tage später in der ersten Morgendämmerung ein Kommando von Don Dorokins Männern in seine Ladenwohnung eingedrungen. Schußsichere Westen und Helme mit Visieren hätten die ausgesucht hochgewachsenen Kerle getragen, und allein schon daran, wie er von ihren Knien auf den Dielen dieses Raumes fixiert worden sei, habe unmissverständlich gezeigt, dass man ihn, ungeachtet seines Alters, für einen eminent gefährlichen Burschen hielt.
    «Und dann?», hatte Elussa auf Russisch gefragt. Und ebenfalls in ihre Unterrichtssprache wechselnd, erzählte Spirthoffer langsam, aber verblüffend flüssig und nahezu fehlerfrei, wie er in der Dreifaltigkeitskirche von Don Dorokin höchstpersönlich vernommen worden war. Auf Deutsch, Russisch und Amerikanisch hätten ihm der Don und dessen rechte Hand in Sachen Elektronik, ein außerordentlich tüchtiger Ukrainer, zugesetzt. Und schließlich habe ihn auch noch die alte chinesische Ärztin des Don, von der er bereits vor dem Verhör gründlich medizinisch untersucht worden war, mit Fragen in ihrer Muttersprache, die er nur leidlich verstehe, und dazu mit jähen Kniffen in den Nacken undeinem außerordentlich unangenehmen Verdrehen der Ohrmuscheln traktiert.
    Rückblickend könne er dem Don die rüde Einvernahme allerdings nicht übelnehmen. Schließlich sei er damals begründet in Verdacht geraten. Ob Elussa wisse, wie die Kleinköpfe bald darauf die Gasanlage am Flusshafen, eines der rühmenswerten gemeinnützigen Projekte des Don, in die Luft gejagt hatten? Von einem ferngesteuerten Mini-Helikopter, vielleicht baugleich mit dem, den er, nichts Schlimmes ahnend, in seiner Werkstatt beherbergt hatte, sei der Sprengstoff an die Faulgaskessel getragen worden. Die Wachmannschaft hatte vergeblich auf das in hohem Bogen heranknatternde Spielzeug gefeuert. Noch heute schöbe er gerne seinerseits fünfzig Eurorubel und eine Flasche Altalkohol über jeden denkbaren Tisch, um zu erfahren, von wem damals, an seiner Stelle, die für das Attentat unumgänglich nötige Fernsteuerung zusammengelötet worden war.
    Als der Morgen in Elussas Küche graute, als die Leuchtbirne über dem Tisch mit einem zirpenden, täuschend grillenhaften Geräusch erloschen war und Alide ihre in Reinwasser aufgekochte, mit Zimt und Rübensirup abgeschmeckte Hafergrütze kaute, studierte Elussa noch einmal die Vokabeln, die sie sich für den heutigen Unterricht herausgeschrieben hatte. Ihr Töchterchen schielte aufs Blatt, und im Nu kreiste das morgendliche Gespräch um das, was von den Menschen je hinauf ins Reich der Vögel, in das Blau über den Wolken und schließlich sogar in die Schwärze des Weltraums geschickt worden war.
    Alide hatte ein einziges Mal, sie erinnerte sich nun mit rührend ausführlichen Worten, zwei sibirischen Buben beim Drachensteigen zugesehen. Elussa war nicht dabei gewesen, aber sogleich sah auch sie mühelos vor dem inneren Auge, was ihr Töchterchen damals, in jenem goldenen Herbst, fürden ihre alten Heimat berühmt war, beobachtet hatte: Der rote Fleck zuckte und ruckte so märchenhaft hoch am Himmel, dass die seltsam bauchig durchhängende Schnur, die ihn mit der Faust des Jungen verband, auf dem letzten Stück hinauf zum erdgewandten Eck des Drachen auch mit innigstem Hingucken nicht mehr als Strich erkannt werden konnte.
    Gar völlig unsichtbar war derjenige Flugkörper gewesen, den Alide als nächstes Exempel heraufbeschwor. Sein Anflug hatte Mutter und Tochter im nächtlichen Zug, während der letzten der fünf Fahrtnächte, kurz vor ihrer Ankunft in der Stadt, aus dem Schlaf gerissen. Wenn ihnen, kaum waren sie hochgeschreckt, ein freundlicher alter Mitreisender nicht sogleich erklärt hätte, wovon nicht bloß ihr Waggon, sondern gewiss der ganze Zug mit jäh anschwellendem Dröhnen durchgerüttelt worden war, hätte Elussa womöglich geglaubt, mit diesem gewaltigen Vibrieren breche ein Erdbeben los, um auch dem Freigebiet Germania und damit dem Herzen Alteuropas dasjenige anzutun, was dereinst den Hochmut der Amerikaner gebrochen und dem Rest der Welt den berühmten Ewigen Winter beschert hatte.
    Schneeweiß vor Angst war das Gesicht Alides damals

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