Die Zukunft des Mars (German Edition)
in die Rohre der beiden anderen Paten fließen zu lassen. Aber über Art und Umfang der Gegengabe ließ sich momentan keine Einigung erzielen. Der Eurorubel leistete gute Dienste im städtischen Güterverkehr. Die einstmals in der längst Legende gewordenen Schweiz gedruckten Scheine waren unverwüstlich und galten weiterhin als fälschungssicher. Auch auf den Wasserwegen Richtung Ostsee und im Fernstraßenhandel bis an die Wolga, also bis an die chinesische Grenze, wurde das Papiergeld in allen Freigebieten und Protektoraten für kleinere Transaktionen bereitwillig akzeptiert. Aber seit der verheerenden Anschlagserie an den Weihnachtstagen des zurückliegenden Jahres erlosch das Vertrauen in dieses letzte Zahlungsmittel der Guten Alten Zeit bereits ab einer mittleren Geschäftsgröße wie eine ausgepustete Kerze.
Gegen dergleichen Unvernunft, gegen die leidige Mixtur aus Furcht, Misstrauen und Dummheit, war vorerst kein Kraut gewachsen. Gas im Austausch für Petroleum und Kohle, Gas gegen hochreinen Mikroschrott, gegen Bruchkupfer, Gold- oder Platinkrümel, monatlich verrechnet, hatte daher der Vorschlag des Don gelautet. Aber der Weiße Khan und der Alte Ogo waren, Bruderbund hin, Bruderbund her, nicht bereit gewesen, einem festen Tauschverhältnis zuzustimmen. Die Kleinköpfe, von denen die Biogasanlage außer Betrieb gesetzt worden war, hatte ihr einzig bekanntes Ziel, die Zerstörung jedes größeren Kontrollzusammenhangs, zumindest in diesem Fall bis auf Weiteres erreicht.
Für heute, für den bereits winterlich finster angebrochenen neuen Tag, hieß es das Gute, das die Gemeinschaft Fördernde, im Kleinen suchen. Also ließ er sich den Tamilen, der sie auf Umanns Spur gebracht hatte, noch einmal aus dem Keller nach oben bringen. Dem Kerl ging es inzwischen schon sichtlich besser. Nachdem er endlich in der erwünschten Ausführlichkeit das Lied der Guten Alten Zeit gesungen hatte, waren seine Platzwunden von der alten Hu ärztlich versorgt worden. Und die neue Zelle, in die er zur Belohnung und Erholung verbracht worden war, verfügte über Pritsche, Wolldecke, Eimer und sogar über einen Schalter zum An- und Ausknipsen des Lichts. Der Don war sich ziemlich sicher, dass der Gefangene nichts mehr mit Absicht verschwieg. Aber leider war er dereinst nur kurz in Umanns Team gewesen, gerade mal ein halbes Jahr.
Den angebotenen Schnaps stürzte der Hereingeführte gehorsam über die dick geschwollene Unterlippe, und der Aufforderung des Don, noch einmal frisch von der Leber über die fraglichen sechs Monate zu berichten, kam er ebenso brav nach. Der junge Umann schien ein guter Chef gewesen zu sein. Ähnlich wie es auch der Don, was sein Wirken anging, für angemessen hielt, hatte Umann seine Untergebenen nicht mit Launen oder anderen Ausbrüchen seiner Innenwelt belästigt. Just diese einstige Dezenz war womöglich der Grund dafür, dass der Tamile keine brauchbare Beschreibung von Umanns Gesicht liefern konnte. Dabei hatte er seinen einstigen Teamleiter erst vor einer Woche auf der Pritsche eines vorbeirollenden LKWs sitzen sehen, hatte ihn trotz seiner grau gewordenen, im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haare wiedererkannt und dann bei den Händlern in der Nachbarschaft nach ihm gefragt. Aber anstatt einen hilfreichen Hinweis auf den Aufenthaltsort seines früheren Chefs zu bekommen, hatte er nur einen Spitzel, eine besonders aufmerksame undverlässliche Informantin, hellhörig gemacht, auf deren Liste Umanns Name seit kurzem stand.
Der Don schenkte nach. Vielleicht spülte die Trunkenheit nach oben, was Angst und Schmerz nicht ins Licht des Erinnerns gehoben hatten. Der Tamile erzählte noch einmal, wie die Stadt seiner Jünglingsjahre durch schieren Zahlenzauber, allein durch die offizielle Bekanntgabe der von den Behörden allzu lange unterdrückten Anzahl der Seuchentoten, binnen eines Wochenendes in ein Tollhaus verwandelt worden war. Sein Auto war während der nächtlichen Ausschreitungen in Brand gesteckt worden, und so hatte er früh am Morgen versucht, mit einem überfüllten Zug Richtung Süden zu entkommen. Aber schon auf den ersten Kilometern in freier Landschaft rammte dessen Triebkopf einen als Barrikade auf die Schienen gestellten landwirtschaftlichen Anhänger. Mit Knüppeln bewaffnete junge Männer stürmten die Waggons, kletterten über die am Boden kauernden Flüchtlinge und ihr herabgeschleudertes Gepäck und suchten nach denen, die sie, als wäre eine Parole ausgegeben
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