Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
Vom Netzwerk:
worden, brüllend und um sich schlagend, nur «die Zappelneger» nannten.
    Der Tamile hatte erst am Abend zuvor aus dem Fernsehen erfahren, dass das Gerücht Oberhand gewann, die Seuche sei auf dem Luftweg aus Afrika eingeschleppt worden, und Schwarzhäutige seien die ursprünglichen Träger des Erregers. Beides hatte der Senator für Familie und Gesundheit auf derselben Pressekonferenz, auf der auch die Todesrate erstmals öffentlich gemacht worden war, mit schweißnass glitzerndem Gesicht als absolut haltlosen Unfug zurückgewiesen. Die Krankheit beschränke sich bislang auf Europa, nirgendwo sonst auf dem Globus sei ein weiterer Seuchenherd bekannt. Ursprung wie Ursache harrten noch einer wissenschaftlichen Klärung.
    Ihm sei damals, quer über ein frühsommerliches Felddurch kniehohen Weizen flüchtend, den entgleisten Zug und das Schreien der Verletzten und Geprügelten hinter sich, keuchend und stolpernd, zumindest zweierlei so klar wie der herrliche Vormittagshimmel gewesen: Die Dunkelheit seines Gesichts, auch das Aschgrau der Todesangst, würde unter den gegebenen Umständen genügen, ihn zu einem der erlösend verhassten Zappelneger zu machen. Und dazu habe er begriffen: Falls es die Chance eines rettenden Untertauchens gab, dann nicht auf dem sogenannten freien Land, sondern dort hinten in der eben erst verlassenen Stadt, in der er sich von klein auf heimisch hatte fühlen dürfen.
    Der Don ermunterte den Verstummten mit einer Handbewegung zum Weitererzählen und überlegte, ob er selbst jemals einen leibhaftigen Schwarzen, einen Neger mit Haut und Haar, gesehen hatte. Er war sich nicht sicher. Vermutlich hatte ihm bloß der eine oder andere Film, den er als Bübchen mit seinen Brüdern auf einem von letztem Netzstrom genährten Bildschirm bestaunt hatte, ein Bild dieser ausnahmslos Verschwundenen vermittelt. Die Behauptung, Afrikaner hätten die Seuche in die Hauptstädte Europas gebracht, hielt sich bis auf den heutigen Tag, war wohl inzwischen zu einer Art Wahrheit geworden. Zumindest hatten sich die gebildeten Älteren, die es wie der Don und seine Ärztin besser wussten, längst angewöhnt, diesem eingefleischten Stück Volksglauben nicht mehr zu widersprechen.
    Dem Tamilen, den der Wodka zunehmend schwerzüngig machte, kam es allerdings noch einmal auf die andere, für ihn weiterhin einzig gültige Erklärung der Seuche an. Ihr Team sei es nämlich gewesen, das auf deren wirkliche Ursache gestoßen sei. Der Hinweis habe sich in dem Inferno aus Botschaften gefunden, mit dem die Vorläufer der heutigen Kleinköpfe damals ihn und seine Kollegen, ihre hochgerüstetenVerfolger, zu beschäftigen wussten. Umann, dem im Zweifelsfall, im kalten Abwägen von konkurrierenden Gründen, vielleicht bis heute keiner das Wasser reichen könne, habe den Finger auf den virulenten Fleck gelegt. Keiner von ihnen wäre damals auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet das strikte Verbot, frisches Brot zu essen, die allerneueste der zahlreichen diätetischen Forderungen der Terroristen, etwas Besonderes zu bedeuten haben könnte. «Unser Langer hat das dritte Auge für so was!», lallte der Tamile, pochte sich hierzu nachdrücklich auf die frisch verpflasterte Stirn und hielt dem, dessen Männer ihm erst vor wenigen Stunden wahrlich übel mitgespielt hatten, mit der alle Vorsicht, alle schlechten Erfahrungen überspringenden Zutraulichkeit des gegenwartsseligen Betrunkenen das leere Glas zum Nachfüllen hin.
    Während er noch einmal großzügig eingoss, nahm der Don mit der Linken den Zettel, den der Hauptmann der Nachtwache hereingebracht hatte. Ein Blick genügte. Wie schön, wie selbsttätig sich die Dinge manchmal fügten, wenn man nur an die Zukunft glaubte und ihr durch beharrliches Fortarbeiten die allerdings unumgänglich nötige Reverenz erwies. Da kam ihm nun, noch in derselben Nacht, in der er am Gas gescheitert war, dessen Schwester, die Kohle, zu Hilfe. Hatten die Schornsteinfeger in der Guten Alten Zeit nicht, zumindest hierzulande, als Glücksbringer gegolten? Die wenigen, die sich noch umfassend fachmännisch auf dieses Handwerk verstanden, waren längst zu heiß begehrten Spezialisten geworden.
    Die gute Nachricht, dieser Wink im rechten Augenblick, verlangte nach einer Gegengabe. Wer einen fetten Brocken Schicksalsgunst in den Schoß geworfen bekam, war umgehend zu wohltätigem Handeln verpflichtet, daran glaubte der Don seit langem. Also fasste er den Entschluss, möglichst bald, vielleicht schon in der

Weitere Kostenlose Bücher