Die Zukunft des Mars (German Edition)
schaudern. Smosmo ließ sich damals nicht vom Widerwillen des Rats beirren. Sein zweiter Antrag, ohne Verzögerung in Worte gefasst, überbot den ersten noch an unschicklichem Wagemut. Auch die Zahl der in jedem Jahr geborenen Kinder solle ab sofort festgestellt und mit der Anzahl derer verglichen werden, die im selben Jahr den Weg in den Purpurspalt genommen hätten.
Jetzt, wo sich die Erinnerung mit schmerzhafter Deutlichkeit aufdrängt, scheint dem Bleiber plötzlich klar, dass Smosmo damals gar nicht auf ihre Zustimmung hoffte. Mit der eigentümlichen Schlauheit, die jeder Barmherzigen Schwester durch die Ausübung ihres Amtes zuwächst, spekulierte er auf die zerrüttende Kraft seiner ersten beiden Vorschläge. Und wirklich, als er mit Twitwi erschien, um seinen dritten Neuerungsantrag anschaulich zu machen, war der Rat so geschwächt, dass die beiden, dass Smosmo und Twitwi ihr Spiel fast ohne Gegenwehr bis an das gewiss genauso geplante Ende treiben konnten.
Smosmo hatte damals verschiedene Stücke Stahl, Kupfer, Aluminium, Gummi und noch seltenere Materialien aus der Altgutkammer entliehen. Was Twitwi und ihr Stein daran vermochten, war bestürzend. Während sich am Ende der Vorführung, als dessen wohlüberlegter Höhepunkt, ein großer Krümel besten Warmsteins wie von selbst unaufhörlich im Kreis um den Ziehstein drehte und sein bräunlich mattes Orange auf dieser Umlaufbahn ganz allmählich, aber unübersehbar deutlich in leuchtendes Rot-Orange umschlug, wäre es höchste Zeit für jenen wortlos gellenden Schrei gewesen,mit dem eine Ratssitzung unterbrochen werden darf und nach dessen Erklingen die Fortsetzung der Beratung eine volle Woche vertagt werden muss. Aber das Große Palaver besagt, dass allein Frauen diesen Warnruf ausstoßen dürfen, vermutlich weil allein weibliche Stimmen die hierfür nötige Höhe und schmerzliche Schrillheit erreichen. Und da der Rat in jenem Jahr, was außerordentlich selten vorkommt, nur aus Männern bestand, blieben das Kreisen und das Leuchten des Warmsteinbröckchens unbeschrien.
Nun, da die ungehörigen Gedanken durch seinen Kopf gehen, wie sie nur wollen, erinnert sich der Bleiber daran, dass es auch einmal einen Rat gab, dem ausnahmslos Frauen angehörten. Er war noch ein kleiner Junge gewesen, aber gerade im rechten Alter, um hell über das Empfinden der Erwachsenen nachsinnen zu können. Seine Mutter war mit ungewohnt mürrischem Gesicht von der fraglichen Zeremonie nach Hause gekommen. Das Klötzchen, dessen Kreis und dessen Punkt ihren schönen Namen bedeuteten, hatte sie wütend in die Waschschüssel geworfen. Und dann hatte sie mehr zu sich selbst als zu ihm gesagt, zum ersten Mal ärgere sie sich bei jedem einzelnen ihrer restlos grau gewordenen Haare darüber, der heiligen Handlung beigewohnt zu haben. Denn der frisch bestimmten Runde fehle, was einer Ratsversammlung niemals fehlen dürfe, wenn diese sich mit Fug und Recht Panik-Rat nennen wolle. Der Junge, der zukünftige Mann, der er gewesen war, hatte bei diesen Worten plötzlich große Angst verspürt, eine Angst, die dann noch den ganzen Tag anhielt, und genau wie damals neben der Waschschüssel seiner Mutter drohen ihm nun, hier an der verschlossenen Tür, er kämpft mit der ganzen Kraft seines Amtes dagegen an, die Tränen in die Augen zu schießen.
Twitwi spürt bis in die blau verschmierten Fingerspitzen: Porrporr weiß mehr, als er bislang verraten will. Seit sie ihn kennt, seit ihren gemeinsamen Stunden im Kugelhaus, ist er ein Heimlichdenker. Und Twitwi vermutet nicht ohne Grund, dass er es inzwischen nicht mehr beim Grübeln belässt, sondern in den wenigen Jahren seiner Nothelferzeit auf die eine oder andere Weise auch zum Heimlichtuer geworden ist. Jetzt schaut er sich recht heuchlerisch, als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun, zusammen mit Spispi und Hoho die Füße des kleinen Mädchens an, wundert sich über die Weichheit der Sohlen und schabt mit dem seltsamen Stöckchen, das er auch in der Hand hielt, als er aus dem Sonnenhaus herübergestürmt kam, unter dem linken dicken Zeh der Kleinen, vielleicht weil er sie kitzelnd dazu bringen will, noch einmal eines ihrer Augen aufzureißen.
Bald wird der Morgen dämmern. Bis dahin müssen Porrporr und sie entschieden haben, ob sie dem Rat Meldung erstatten wollen. Spispi und Hoho werden ihr gehorchen, wenn sie ihnen sagt, dass das Mädchen erst einmal hier in der Werkstatt verborgen werden soll. Aber von Porrporr kann Twitwi, obwohl sie
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