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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Bauers
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Menschen waren in der Regel nicht bereit anzuerkennen, dass es auch noch eine zweite Seite, ein zweites Dasein gab, ein körperloses Dasein, davon war Sirona inzwischen überzeugt. Im März 2010 war sie mal wieder auf der Suche nach Antworten auf ihre Fragen gewesen, die sie nicht einmal genau formulieren konnte. Sie suchte nach einer Bestätigung ihres Wissens. Sie wusste zum Beispiel hundertprozentig, dass sie von einem Mann geliebt und verzweifelt gesucht wurde. Das machte es leicht, ihr spezielles Singleleben zu führen, denn sie wusste, dass sie spüren würde – genau spüren würde – wann er in ihr Leben treten würde. Sie suchte nach einer Antwort darauf, warum sie immer wieder den Drang verspürte, zu kämpfen und dieses unstillbare Verlangen nach Macht auszuleben. Meistens, wenn dieser Drang zu stark wurde, ging sie in den Garten, bis ihre seelische Kraft vor dem erschöpften Körper kapitulierte. Anders wusste sie sich einfach nicht zu helfen. Und sie musste sich helfen, denn sie wusste auch, dass Töten nicht schwierig war und dass sie es konnte, und das machte ihr Angst. Soweit durfte es einfach nicht gehen. Denn eigentlich verabscheute sie Gewalt, jedenfalls in ihrem jetzigen Leben. Und das liebte sie. Nicht zuletzt wegen Kim.
    Also rief sie an dem besagten Tag die Nummer an , es war bereits Samstagnachmittag und sie hatte sie gerade erst erhalten, aber sie musste einfach anrufen.
    Claire hatte eine freundliche Stimme und war sofort bereit, sich am nächsten Tag mit ihr zu treffen. Als sie ihr am Sonntag die Tür öffnete, sah Sirona im ersten Augenblick über sie hinweg und dann erst auf sie herunter – Claire ging ihr gerade bis zum Brustansatz, wirkte aber nur auf den ersten Blick zerbrechlich.
    Sironas fester Händedruck wurde problemlos erwidert. Danach ging Sirona ohne zu zögern an Claire vorbei in die Wohnung. Den Anstand, erst einmal eine Einladung abzuwarten, schob sie einfach zur Seite. Sie befand sich in einem großen, hellen Raum, ausgestattet mit antiken M öbelstücken, gerade so vielen, dass jedes einzelne Stück seine Schönheit entfalten konnte.
    Sirona fühlte sich sofort in diesem Raum aufgeno mmen. Hinter ihr auf dem Treppenabsatz war Claire stehen geblieben und fragte sie nach einem kurzen Moment der Stille, ob sie denn nicht erst ablegen wolle.
    »Oh, natürlich!« Schnell fing sich Sirona und ging zu Claire zurück, um ihre Jacke an die Garderobe zu hängen, und bewunderte dann noch einmal den schönen Woh nraum mit der Stuckdecke, die an die vier Meter hoch sein musste. Claire bot ihr erst einen Blick in ihren Garten und danach den Stuhl vor dem Schreibtisch an. Dann setzte sie sich ihr gegenüber und erklärte ihr, dass sie mit dem Pendel arbeite.
    »Ich dachte eher an eine Rückführung, ich möchte dringend etwas aus meiner Vergangenheit wissen« , zögerte Sirona.
    Claire sah sie an und sagte: »Was bringt uns die Ve rgangenheit? Das Jetzt ist wichtig.«
    Sirona wollte ihr erst widersprechen, tat es dann aber doch nicht. Sie wollte einfach das Gespräch abwarten, wie es sich entwickelte. Ein Stunde war angesetzt, da konnte viel passieren und sie wollte Claire nicht zu sehr beeinflussen.
    Aus einer Stunde wurden fast vier, in denen Claire sich immer wieder für das Geschenk bedankte, das Sirona für sie sei. Sie sprach von Herausforderung und Gottesgeschenk, warf wiederholt die Hände hoch und dankte Gott für diese Begegnung. Sirona war darüber keineswegs verwundert, nahm es beinahe als Selbstverständlichkeit auf, dass Claire ihre Begegnung so sah. Erst, als sie schon längst wieder zu Hause gewesen war, war ihr aufgefallen, dass ihr diese ungewöhnlich formulierte Anerkennung nicht ungewöhnlich vorgekommen war.
    Claire sah viel mit dem Pendel und redete und geriet immer wieder in Wallung. Ihre Mimik veränderte sich permanent, mal sprühten die Augen vor Energie, mal ve rdunkelten sie sich, mal wirkte ihr Gesicht alt und erschöpft, um im nächsten Moment wieder zu strahlen. Sie sagte Sirona immer wieder, dass sich ihre Augen verändern würden, dass sich das geistige Auge in Sironas Gesicht ständig vergrößere.
    Irgendwann verfiel Claire, die ganz Dame war, in die vertrauliche Anrede. Sie formte Sätze wie »Du bist ein Lichtmensch, ein vollkommener Mensch, und besitzt Weißmagie« und »Du bist göttlich und gehörst zur Götterwelt«.
    Sirona war sich zwischenzeitlich nicht so sicher, ob sie beide bei diesen Begriffen dasselbe dachten, aber sie war

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