Die Zwanziger Jahre (German Edition)
volles Verständnis, auch weil ich mich in einer ähnlichen Lage befand. Franz ist wenige Monate jünger als ich und wünschte sich mehr Zeit für Privates. Das konnte ich ihm nicht verdenken, auch wenn mich seine Entscheidung zu diesem Zeitpunkt sehr überraschte.
Aber was dann kam, war nicht nötig. Der Präsident des DFB ist ja nicht der Einzige, der dieses so wichtige Mandat für den deutschen Fußball übernehmen kann. Ich habe mich um eine Lösung bemüht, wie sie früher üblich war und wie sie der Aufgabenverteilung zwischen Liga und DFB entspricht, dass nämlich der DFB -Präsident der Uefa -Exekutive angehört und ein Vertreter des Ligaverbands den deutschen Fußball in der Fifa vertritt.
Ich habe dieses Amt dem Liga-Präsidenten Reinhard Rauball angetragen und ihn gebeten, wenn er selbst nicht kandidieren möchte, ein anderes bekanntes und kompetentes Gesicht aus der Liga zu gewinnen. Doch es kam, wie es anscheinend immer kommt. Man schimpft gern öffentlich auf die Verbände und ihre Funktionäre, aber Verantwortung will keiner übernehmen. Hier muss ich insbesondere den FC Bayern erwähnen, dessen Chefs – mit der löblichen Ausnahme von Franz Beckenbauer – sich in der Rolle der Scharfmacher wohlfühlen, die alles kritisieren und niedermachen, was an anderer Stelle erarbeitet wird, was aber genauso zum Wohle des Fußballs beiträgt wie das, was der FC Bayern zweifelsfrei erarbeitet.
Zu meiner Enttäuschung erhielt ich also von Reinhard Rauball und der Liga eine Absage. Hätte ich in dieser Situation als DFB -Präsident nicht kandidiert, war zu befürchten, dass sich aus einem anderen europäischen Land ein Kandidat finden würde, und der Sitz wäre für uns verloren gegangen. Deshalb habe ich mich nach langem Nachdenken doch zur Kandidatur bereit erklärt. Eine Entscheidung, die ich schon sehr bald bereuen sollte.
Zunehmend aufgerieben habe ich mich an der Fanproblematik. Mit der wachsenden Kommerzialisierung des Profifußballs hat sich auch das Verhalten der Fans geändert – und unser Bild von ihnen. Während die wenigsten Spieler heutzutage ihre gesamte Karriere bei einem Klub verbringen, bleiben diejenigen, die sich als die wahren Fans verstehen, ihrem Verein ein ganzes Leben treu. Man kann sagen, dass die Anhänger die eigentliche Konstante sind bei einem Klub, in dem Spieler, Trainer und Vorstände in immer schnellerem Rhythmus wechseln. Und ehrlich, was wäre der Bundesligafußball ohne die farbenfrohen Choreografien, die einfallsreichen Gesänge und die leidenschaftliche Anfeuerung auf den Stehtribünen.
Doch manche Fans nehmen sich Rechte heraus, die wir ihnen unmöglich zugestehen können. In jüngster Zeit sind sie einige Male über die Stränge geschlagen und haben aufgeregte und nicht immer sachliche Diskussionen über Gewalt und unkontrollierbare Zustände in den Stadien ausgelöst. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Bei Massenveranstaltungen, wie es Bundesligaspiele nun mal sind, werden wir nie alles unter Kontrolle halten können, trotz aller lobenswerten Dialoge und Fanprojekte.
Ich habe immer gern das Gespräch mit den Fans gesucht, habe mich in regelmäßigen Abständen mit einer Gruppe von Fanvertretern aus allen Bereichen getroffen, um aus erster Hand zu erfahren, wo es an der Basis klemmt. In den Fanlagern gibt es so viele Menschen von unterschiedlichem Bildungsgrad und mit unterschiedlichen Interessen. Viele Klubs haben ein kritisches Verhältnis zu ihren Fans, weil beide Seiten zu wenig miteinander reden und deshalb zu wenig voneinander wissen. Man muss aber immer wieder versuchen, die Konflikte zu relativieren und nach Möglichkeit auszuräumen.
2005 habe ich in Leipzig am ersten Fankongress teilgenommen. Seitdem habe ich mich ständig mit Fangruppierungen getroffen, um besser zu begreifen, wie die Fans ticken. Und ich habe in diesen Gesprächen eine Menge dazugelernt. Es gibt sehr viele Gruppen, die keinerlei Interesse an Randale haben, die wertvolles Engagement auf sozialen Feldern zeigen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Gewaltbereitschaft abnimmt, wenn wir den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Fanklubs suchen, anstatt sie zu kriminalisieren. Das ist auch eine Art von Sozialarbeit. Inzwischen gibt es diese Fanprojekte bis in die dritte und vierte Liga.
In diesem Zusammenhang haben mich in den letzten Jahren insbesondere die Angriffe gegen den Mäzen von Hoffenheim, Dietmar Hopp, betroffen gemacht. Hopp hat beruflich viel geleistet und ist durch
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