Die Zwanziger Jahre (German Edition)
oftmals kollektiv gegen ganze Gruppen verhängt werden, ohne wirklich die Einzelfälle zu prüfen, hinterlassen bei den Fans das Gefühl, da werden häufig die Falschen ausgesperrt. Und das oft schon, wenn nur ein Verdacht besteht. Stadionverbote treffen auch so manchen Fan, der wegen der Teilnahme an Randale angeklagt war, von den Gerichten aber freigesprochen wurde. Das erzeugt Frust bei den organisierten Fans und in der Folge eine Gegnerschaft zu den Institutionen auch bei solchen Anhängern, die eigentlich nur friedlich die Spiele sehen und ihre Mannschaft anfeuern wollen. Insofern ist es kein glückliches Signal des sogenannten Sicherheitsgipfels im Sommer 2012 gewesen, zu beschließen, dass diese Stadionverbote von drei Jahren auf bis zu zehn Jahre ausgeweitet werden können, ohne die Grundlagen für die Berechtigung dieser Aussperrungen ebenfalls auf den Prüfstand zu stellen.
Nach meiner Auffassung gäbe es einen Weg, die angespannte Lage deutlich zu entkrampfen, nämlich wenn wir nach dem englischen Vorbild nur noch Sitzplätze zulassen – zumindest in den Stadien, in denen es immer wieder Ausschreitungen gibt. Solche Vorfälle gehen fast ausschließlich von den Stehrängen aus. Auch wenn der Sicherheitsgipfel sich gegen ein Stehplatzverbot ausgesprochen hat, so halte ich es doch für möglich bis wahrscheinlich, dass es eines Tages keinen anderen Weg mehr geben wird. Nicht in Dortmund, Mönchengladbach oder Mainz, wo Ausschreitungen und Schlägereien selten bis gar nicht vorkommen, aber in Problemstadien kann es durchaus eine Lösung sein. Das Beispiel England zeigt, dass auch in reinen Sitzplatzstadien tolle Fußballstimmung herrschen kann, ohne dass es zu gewaltsamen Exzessen kommt.
Ich teile nicht die Befürchtungen, dass ohne Stehplätze die Fankultur zugrunde geht. Wenn diese Fankultur so zelebriert wird, dass unschuldige Stadionbesucher Gefahren an Leib und Leben gewärtigen müssen, dann ist es für mich keine Fankultur mehr.
Wir Fußballer sollten uns aber nicht einreden lassen, die Gewalt in und um die Stadien sei nur ein Problem unseres Sports. Wenn man den Fußball gänzlich verbieten würde, gäbe es immer noch Gewalt und Kriminalität in Deutschland. Und wir sollten uns andererseits davor hüten, die Lösung des Gewaltproblems allein dem Staat zu überlassen. Gemeinsame Verantwortung ist gefragt.
Bei allen Sicherheitsmaßnahmen und Verboten kann es immer wieder zu Vorfällen kommen, die den Eindruck vermitteln, der Fußball sei durch und durch von Gewalt verdorben. Dem ist aber nicht so. Schließlich gibt es jede Woche in der Saison 80 000 Fußballspiele in Deutschland, von denen 99,9 Prozent absolut sauber verlaufen.
Trotzdem führt kein Weg daran vorbei, dass Verband und Vereine die Fanprojekte weiter intensiv unterstützen und den Dialog mit den Fangruppen suchen müssen. Ohne diese Projekte sähe es vielerorts noch viel schlimmer aus. Dort, wo die Klubs diesen Dialog ernsthaft und kontinuierlich betreiben, sind die schlimmen Vorfälle in der Regel seltener als dort, wo die Ultras mit all ihrem Engagement eher als notwendiges Übel betrachtet oder gar ganz ignoriert werden. Die Kosten können kein Argument sein, schließlich sorgen auch die Fans mit ihren Eintrittsgeldern dafür, dass die Klubs nicht am Hungertuch nagen.
Mit den üppigen TV -Einnahmen können DFB , DFL und die Klubs diese Projekte locker finanzieren, statt das mehr verdiente Geld gleich wieder in die Taschen der Spieler zu schaffen. Für die meisten Vereine sind die Ausgaben für Fanprojekte, mit Verlaub, doch nicht mehr als Peanuts. Aber auch hier zeigt sich wieder die Scheinheiligkeit der Politik. Der Sicherheitsgipfel im Sommer 2012 hat zu Recht zusätzliche Leistungen der Klubs für die Fanprojekte eingefordert und erhalten, aber mit dem Ergebnis, dass die Länder ihren Anteil verkleinern. So etwas nennt man »internen Lastenausgleich« – der so wichtigen Fanarbeit hilft es nichts.
Bei einer Fachtagung wurde vor ein paar Jahren von einer Faninitiative der Wunsch geäußert, dass wir Pyrotechnik genehmigen sollten. Feuerwerk in den Stadien mit Blitz und Donner, das kann sehr stimmungsvoll sein, aber es ist eben auch gefährlich. Das DFB -Präsidium und Ligapräsident Reinhard Rauball haben immer die klare Position vertreten, es ist rechtlich nicht möglich, bengalische Feuer, Böller und Raketen in den Stadien zu legalisieren, ohne Gesetze zu brechen. Trotzdem versprachen Helmut Spahn und Holger Hieronymus, die
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