Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Vernehmung durch den Kontrollausschuss am Freitag hatte Hoyzer alle Vorwürfe abgestritten und war umgehend aus seinem Verein Hertha BSC ausgetreten, weil er hoffte, sich auf diese Weise der DFB -Gerichtsbarkeit zu entziehen.
Deshalb setzte ich ihn öffentlich unter Druck und bezeichnete Hoyzer in einem Interview mit der ARD -»Sportschau« am Sonntag als Betrüger. Das war gewagt, denn ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht sicher sein, dass der Betrugstatbestand nach Paragraph 263 Strafgesetzbuch erfüllt war. Doch ich wollte Hoyzer und seinem Umfeld deutlich machen, dass es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handelte, sondern dass schwere Strafen drohten.
Mein juristisches Gefühl hat mich nicht im Stich gelassen, obwohl andere Juristen auch zu einem anderen Ergebnis kommen konnten. Ich erhielt viele Anrufe von wohlmeinenden Kollegen, mein Freund Norbert Weise, damals Generalstaatsanwalt in Koblenz, brachte ganze Tage in der Bibliothek zu, um mich mit Material zu versorgen, dass es sich entgegen der Meinung einiger Theoretiker um Betrug handelte. Man konnte sich darüber die Köpfe heiß diskutieren, es gab halt unterschiedliche Meinungen.
Ich hatte Glück, dass die zuständige Staatsanwaltschaft in Berlin konsequent vorging. Durch deren Untersuchungen war der Vorgang leichter aufzuklären, denn die Möglichkeiten einer Staatsanwaltschaft hatten wir nicht. Der Generalstaatsanwalt deutete mir in einem kurzen Telefonat an: »Herr Zwanziger, warten Sie noch ein paar Tage, dann werden wir klarer sehen.« Das war für mich das Signal – es würde Durchsuchungen und Beschlagnahmungen geben, und auf dieser Grundlage würde man dann sowohl sportrechtlich als auch strafrechtlich den Tatverdacht erhärten können.
So kam es bei Robert Hoyzer zum Sinneswandel. Der öffentliche Druck und die Beratung durch seinen Anwalt brachten ihn dazu, zwei Tage später alles zuzugeben. Er hatte offenbar die kriminelle Tragweite seines Vergehens nicht erkannt und nicht damit gerechnet, dass ihm über die Sportgerichtsbarkeit des DFB hinaus juristische Konsequenzen drohten. Sein Anwalt wusste, dass Hoyzer sich sehr wohl strafbar gemacht hatte, und empfahl ihm, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, seine Hintermänner zu nennen und die entsprechende Strafe in Kauf zu nehmen.
Durch Hoyzers Geständnis hatten wir die schreckliche Gewissheit, dass ein Spiel manipuliert worden war und bei einigen anderen ein dringender Verdacht bestand. Aber wir hatten jetzt in der Sache festen Boden unter den Füßen. Wir konnten über unsere Sportgerichtsbarkeit, den Kontrollausschuss und das Sportgericht, aufklären und die Vergehen relativ schnell ahnden. Horst Hilpert und Rainer Koch als Vorsitzender des Sportgerichts leisteten exzellente Arbeit, die schließlich beim Bundesgericht unter Georg-Adolf Schnarr abgesegnet wurde. Die Sportgerichtsbarkeit hatte sich nach dem schweren Bundesligaskandal der Sechzigerjahre erneut bewährt. Schnell, sachgerecht und gründlich traf sie ihre Entscheidungen. Deshalb ist das Miteinander von Sportgerichtsbarkeit und der staatlichen Justiz in solchen Situationen unverzichtbar.
Problematisch blieb unsere öffentliche Darstellung. Die Kommunikation über einen solchen Vorgang kann man nur beherrschen, wenn man den Sachverhalt genau kennt und auf Fragen deshalb auch die richtigen Antworten geben kann. Doch Gerhard Mayer-Vorfelder war schließlich der Präsident und nahm deshalb für sich in Anspruch, sich auch öffentlich zu äußern. Er begab sich in gefährliche Diskussionsrunden und nahm an einer Talkshow mit Sabine Christiansen teil, obwohl wir eigentlich vereinbart hatten, uns nur in Sportsendungen zu diesem Thema zu äußern. Ich selbst hatte es abgelehnt, an einer solchen Sendung teilzunehmen, weil ich wusste, dass dort nichts Vernünftiges herauskommen würde.
Prompt wurde MV vom damaligen »Bild«-Sportchef Alfred Draxler derart in die Enge getrieben, dass ein regelrechtes Katastrophenszenario entstand. Die »Bild«-Zeitung stellte am nächsten Tag sowohl Mayer-Vorfelder als auch mich regelrecht an den Pranger mit der Behauptung, dass wir ja schon früher auf den Manipulationsverdacht aufmerksam gemacht wurden und nichts dagegen unternommen hätten. MV war nicht ausreichend vorbereitet und konnte sich mit dieser Behauptung nicht angemessen auseinandersetzen. Er hatte nicht im Kopf, dass wir bereits am 27. Januar in einer Presseerklärung auf den damaligen Oddset-Hinweis eingegangen waren. Allerdings erwies sich
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