Die Zwanziger Jahre (German Edition)
als überrascht waren, als wir damit konfrontiert wurden. Nun waren wir klüger. Wir mussten sicherstellen, dass wir beim nächsten Mal besser gewappnet waren.
So beriefen wir für den 28. April einen außerordentlichen Bundestag in Mainz ein, um den Wettskandal aufzuarbeiten. Wir legten den Delegierten 13 Ergänzungsanträge zu unseren Satzungen und Ordnungen vor, um den Wettbewerb zu sichern. Denn es kann natürlich nicht angehen, dass im schlimmsten Fall weit in der neuen Saison über Einsprüche gegen Spielwertungen aus der längst abgeschlossenen Spielzeit verhandelt werden muss. Damit würde das gesamte Spielsystem zusammenbrechen. Andererseits stellten wir aber auch klar, dass wir keinem Geschädigten rechtsstaatliche Mittel verwehren wollten.
Wir beschlossen also, dass künftig nach Saisonende keine Umwertungen oder Wiederholungen von Punktspielen mehr möglich sein sollten. Nach dem viertletzten Spieltag sind Anträge auf Spielwiederholungen nicht mehr zulässig. Unbenommen davon bleibt natürlich das Recht jedes betroffenen Vereins, auf zivilrechtlichem Weg Schadenersatz einzufordern. Außerdem wurde in der Satzung festgeschrieben, dass es Schiedsrichtern, Spielern und Trainern verboten ist, auf Spiele der eigenen Mannschaft zu wetten. Ein entsprechender Passus findet sich heute auch in den Musterverträgen der DFL und des DFB .
Am 25. Juni 2005 erhob die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen die Schiedsrichter Robert Hoyzer und Dominik Marks sowie gegen ihre Hintermänner, die Brüder Ante und Milan Sapina. Das Landgericht sprach am 17. November die Urteile und schickte Hoyzer für zwei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis, obwohl der Staatsanwalt »nur« eine Bewährungsstrafe beantragt hatte. Der Richter war der Meinung, dass auch in diesem Urteil bereits ein Nachlass für den geständigen Schiedsrichter enthalten war. Auch Ante Sapina blieb eine Bewährung versagt.
Die Überraschung kam im Revisionsprozess. Bundesanwalt Hartmut Schneider forderte vor dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig Freisprüche. Nach seiner Auffassung konnte von Betrug keine Rede sein, weil, laienhaft ausgedrückt, der Teilnehmer an einer Sportwette davon ausgehen müsse, dass er sowieso ein Glücksspiel betreibt, dessen Ausgang nicht wirklich vorhersagbar ist. Der Bundesanwalt konnte nicht erkennen, dass dem Wetter ein Schaden entstehe, wenn aus einer längeren Liste von Spielen eine Partie manipuliert worden sei.
Hier ging es um grundsätzliche Wertvorstellungen. Darf der Wett-Teilnehmer darauf vertrauen, dass die Spiele, auf die er wettet, nicht manipuliert werden? Dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Wettanbieter Manipulation nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, nahm der Bundesanwalt als Argument, dass Sapina, Hoyzer und Co. keine Täuschung begangen hätten.
Der Bundesgerichtshof wies die Revision ab und las dem Bundesanwalt mit knackigen Worten die Leviten. Nach Ansicht der Richter ist eine Manipulation schon nach dem Zivilrecht nicht mit einer Sportwette vereinbar, es bedarf also keiner gesonderten Erwähnung dieses Umstands im »Kleingedruckten«. Dass der Spruch des BGH so deutlich ausfiel, war wichtig für die Außenwirkung. Wie wäre es bei dem am Fußball interessierten Teil der Bevölkerung und besonders bei den Jugendlichen angekommen, wenn der Staat und seine Justiz erklärt hätten, diese Vorfälle interessierten sie nicht, und die Manipulateure wären freigesprochen worden, frei nach dem Motto: So ein bisschen Manipulation ist ja noch kein Betrug?
Der DFB verklagte Robert Hoyzer auf Schadenersatz, der in einem Vergleich auf 750 000 Euro festgelegt wurde. Natürlich wussten wir, dass wir diese Summe von ihm nie bekommen konnten. Letztlich einigten wir uns darauf, dass der ehemalige Schiedsrichter fünfzehn Jahre lang monatlich 700 Euro zahlen muss, insgesamt also 126 000 Euro. Auf den Restbetrag verzichtet der Verband. Schließlich wollten wir dem gestrauchelten jungen Mann nicht seinen kompletten Lebensweg verbauen.
Warum sich Robert Hoyzer zu seinen betrügerischen Pfiffen verleiten ließ, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Auch Schiedsrichter sind im Fußballbusiness inzwischen kleine Stars, werden für wichtig gehalten und halten sich selbst für wichtig – für einen jungen Menschen kann das sehr verführerisch sein. Er kann ein bisschen Gott spielen und bekommt auch noch Geld dafür. Dann vergleicht er sein Salär mit dem der anderen Darsteller, die ein Vielfaches
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