Die Zwanziger Jahre (German Edition)
was für eine! Die Bombe platzte am 21. Januar2005 , einem Freitag. Ich war in Berlin, wo ich mich mit Manfred von Richthofen traf, dem Präsidenten des Deutschen Sportbunds. Mitten im Gespräch bekam ich einen Anruf von Horst Hilpert. Der Vorsitzende des DFB -Kontrollausschusses, sozusagen unser Staatsanwalt, war so aufgeregt, wie ich ihn nie erlebt habe. Er berichtete, dass uns ein unglaublicher Wettskandal bevorstand. Ein Bundesligaschiedsrichter habe das Pokalspiel SC Paderborn gegen Hamburger SV im August 2004 manipuliert, im Auftrag und gegen Bezahlung der Wettmafia.
Der Regionalligist hatte seinerzeit den Bundesligisten überraschend mit 4:2 aus dem Wettbewerb geworfen. Ich war erschüttert, ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Warum soll ein Spitzenschiedsrichter, der doch so schlecht nicht bezahlt wird und eine tolle Perspektive hat, für ein paar Euro absichtlich ein Spiel verpfeifen? Zwei Tage zuvor war eine Gruppe von Berliner Schiedsrichtern, angeführt von dem erfahrenen Referee Lutz-Michael Fröhlich, beim DFB vorstellig geworden und hatte von dem unerhörten Verdacht gegen ihren Kollegen Robert Hoyzer berichtet. Hoyzer war offenbar so stolz auf seine Betrügereien, dass er immer wieder Andeutungen fallen ließ und mit dicken Geldbündeln prahlte.
Was Horst Hilpert so sehr aufregte, war aber nicht nur der Skandal, der sich da abzeichnete. Im gleichen Atemzug berichtete er, dass die Schiedsrichterabteilung unter Volker Roth den Fall unter den Teppich kehren wollte. Die Angst vor einer vermeintlichen Nestbeschmutzung überwog die Bereitschaft zur Aufklärung, am liebsten hätten sie die Sache unter sich geregelt und wären schnell zur Tagesordnung übergegangen. Damit konnte sich Hilpert nicht abfinden und bat mich um Unterstützung für eine umfassende Aufklärung. Dazu gab es auch für mich keine Alternative, und ich bestärkte Horst Hilpert darin, zunächst eine eindeutige Protokollnotiz zu verfassen. Natürlich mussten wir uns erst ein Bild über die Verdachtsmomente machen. Man darf jemanden ja nicht unschuldig an die Wand nageln, es muss schon ein dringender Tatverdacht vorhanden sein.
Dies war ein Vorgang mit einer großen Tragweite, und ich hätte mich gern mit Gerhard Mayer-Vorfelder abgesprochen, auch wenn der Fall nicht in seine unmittelbare Zuständigkeit fiel. Doch MV war an diesem Wochenende nicht erreichbar. Also kontaktierte ich Horst R. Schmidt und Werner Hackmann, der mich in meiner Haltung bestärkte: »Theo, du musst an die Öffentlichkeit. Wenn diese Geschichte auf einem anderen Weg bekannt wird, dann hast du keine Chance mehr, aufklärend tätig zu werden.« Wir beschlossen, mit offenen Karten zu spielen, und gaben am Samstag eine Presseerklärung heraus, in der wir den Verdacht gegen Robert Hoyzer öffentlich machten.
Am Montag traf sich das Präsidium zu einer Sondersitzung. Wir ließen prüfen, ob es schon Anhaltspunkte bezüglich dieses Spiels gegeben hatte. Da waren in der Tat einige sehr umstrittene Entscheidungen aufgefallen, unter anderem zwei fragwürdige Elfmeter für die Paderborner, die das Spiel nach einer 2:0-Führung des HSV gekippt hatten. Aber das war noch kein Beweis, denn wie wir alle wissen, ist kein Schiedsrichter fehlerfrei. Es hatte aber auch einen Hinweis von Oddset München gegeben an unsere juristische Abteilung, dass möglicherweise mit diesem Spiel etwas nicht in Ordnung war. Diese vagen Hinweise auf ungewöhnlich hohe Spieleinsätze hat man seinerzeit nicht so weiterverfolgen können, dass sie in einen dringenden Tatverdacht mündeten. Jetzt gab es aber belastende Aussagen von Schiedsrichterkollegen, das änderte die Sachlage entscheidend.
Es war keine leichte Diskussion im Präsidium, weil insbesondere MV für eine sehr zurückhaltende Vorgehensweise plädierte. Er beharrte darauf, dass es sich bisher nur um einen Verdacht gegen Hoyzer handele und der Schiedsrichter vorläufig als unschuldig zu gelten habe. Doch mit tatkräftiger Unterstützung von Werner Hackmann setzte ich mich durch, und wir verfassten eine Presseerklärung, in der wir den gesamten Vorgang öffentlich machten. Wir wiesen auch darauf hin, dass es bereits vorher eine Information von Oddset an den DFB gegeben hatte, was später noch von Bedeutung sein sollte.
Trotzdem gilt: Ein Verdacht ist noch kein Beweis, und war ich mir auch nach Prüfung der Unterlagen sicher, dass Schiedsrichter Hoyzer ein Täter sein musste, so fehlte uns immer noch der Beweis. Bei seiner ersten
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