Die Zwanziger Jahre (German Edition)
erhalten – da findet es offenbar mancher junge Schiedsrichter nur gerecht, wenn er sein eigenes Einkommen auch ein wenig aufbessert.
Heute muss man feststellen, dass in jenen Jahren eine Art Jugendwahn im Schiedsrichterwesen herrschte. Talentierte Unparteiische, die mit siebzehn oder achtzehn Jahren in den Junioren-Bundesligen eine gute Figur machten, wurden häufig zu schnell und zu früh an die ganz großen Aufgaben herangeführt, statt in den unteren Klassen zu reifen. Auch wenn die Leistung vielleicht für die Bundesliga ausreicht, so ist doch häufig die Persönlichkeit des jungen Schiedsrichters noch nicht gefestigt. Ein Unparteiischer erreicht mit 45 die Altersgrenze, kann also wesentlich länger auf höchstem Niveau aktiv sein als ein Spieler. Da muss er nicht schon mit 22 in der Bundesliga pfeifen, sondern kann warten, bis er 26 oder 27 ist.
Nicht erst der Fall Amerell hat gezeigt, dass im Schiedsrichterwesen längst nicht alles in Ordnung ist. Die jungen Menschen stehen in einem viel größeren Abhängigkeitsverhältnis als die Spieler, die immer den Verein wechseln können, wenn sie sich nicht wohlfühlen. Die Schiedsrichter stehen unter der Kontrolle eines Monopols, dem der Schiedsrichter-Obleute, und zwar auf allen Ebenen.
Ich bin Robert Hoyzer persönlich erst kurz vor Weihnachten 2010 erstmals begegnet, als wir sein Gnadengesuch gegen die lebenslange Sperre durch den DFB behandelten. Es war klar, dass er nie mehr als Schiedsrichter amtieren würde, aber er wollte einfach wieder Fußball spielen. DFB -Vizepräsident Rainer Koch und ich trafen einen Menschen, der seine schlimme Verfehlung sehr bedauert und weiß, was er sich selbst angetan hat, indem er möglicherweise eine große Schiedsrichterkarriere zerstörte. Zu diesem Zeitpunkt wirkte er auf uns beruflich und privat gefestigt. Es fiel uns nicht schwer, ihm zu erlauben, dass er auf Landesverbandsebene wieder kicken darf. Alles andere hätte unseren eigenen Überzeugungen von der integrativen Kraft des Fußballs widersprochen.
Auf dem Bundestag in Mainz hatten die DFB -Delegierten ebenfalls beschlossen, dass der Verband selbst eine Sportwette veranstalten sollte. Schließlich ist es unsere Veranstaltung, mit der Millionenumsätze erzielt werden, warum sollten wir das Geschäft dann nicht selbst machen? Das Vorhaben scheiterte am Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im März 2006 der Liberalisierung des Wettmarktes einen Riegel vorschob und das staatliche Wettmonopol verlängerte.
Aus meiner Sicht ist man damals den falschen Weg gegangen. Bedingung für die Fortsetzung des Monopols war, dass die Bekämpfung der Spielsucht in den Vordergrund rückte. Das führt zu der paradoxen Situation, dass die Lottogesellschaften zwar lautstark ihre Jackpots und sonstigen Aktionen anpreisen, im gleichen Atemzug aber sagen müssen: Wettet besser nicht, damit ihr nicht süchtig werdet. Wie Politiker dermaßen lächerliche Entscheidungen treffen können, habe ich bis heute nicht begriffen.
Den Ländern, die in unserem föderalen Staat für das Glücksspiel zuständig sind, ging es bei ihrem Kampf ums Monopol selbstredend nicht um die Suchtbekämpfung, sondern um die Einnahmen, die für sie unverzichtbar sind. Aus den Abgaben der Lottogesellschaften wird zu großen Teilen der organisierte Sport in Vereinen und Verbänden gefördert, neben sozialen und kulturellen Aufgaben.
Aber der Schuss ist nach hinten losgegangen. Die Umsätze der staatlichen Fußballwette Oddset sind in der Folge des BVG -Urteils massiv eingebrochen, weil die Konkurrenz mehr davon profitierte. Eigentlich illegale Anbieter werben ganz ungeniert im Sportfernsehen, in den Stadien und sogar auf manchen Trikots. Weil diese Veranstalter mit Sitz in Gibraltar oder anderswo nichts abführen müssen, können sie wesentlich attraktivere Quoten anbieten und höhere Umsätze erzielen als Oddset, das ja noch nicht einmal im Internet seine Dienste anbieten darf. So ist auf dem Wettmarkt eine Zweiklassengesellschaft entstanden, von der ausgerechnet die Illegalen am meisten profitieren.
Erst seit Kurzem hat man begonnen umzudenken. Bei der Liberalisierung des Wettmarktes wird darauf zu achten sein, dass nicht jeder machen darf, was er will – vielmehr sollten Konzessionen an seriöse Anbieter vergeben werden und für alle die gleichen Auflagen und Abgabensätze gelten. Auch die Sicherheit des Wettbewerbs muss gewährleistet sein und genau überwacht und kontrolliert werden. Das geht am
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