Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
breiteten sich entweder weite Felder aus, auf denen oftmals Bauernfamilien bei der Erntearbeit waren, oder aber ganze Wälder von Kirsch-, Apfel- und Birnenbäumen. Viele Pflücker hantierten dort auf klapprigen Leitern und warfen die schon reifen Früchte in große Säcke und Tonnen, die unter ihnen standen. Andere Landstriche, die ihren Weg säumten, waren hingegen unberührt und weitgehend menschenleer. Hier erstreckten sich sanfte Wiesen, deren Halme von der brennenden Sonne und dem mangelnden Regenfall der letzten Tage eine gelbliche Färbung angenommen hatten. Zwischen den Gräsern erblühten mannigfaltige Blumen, die mit ihren satten, leuchtenden hervorstachen und das Herz eines jeden Betrachters mit Wärme erfüllten.
Darüber hinaus war diese Gegend dafür bekannt, dass sie mehrere großartige Seen enthielt. Die Reiter passierten einige davon so dicht, dass sie über die mit Sträuchern bewachsenen Ufer hinweg deren glasklare, im Sonnenlicht glänzende Oberfläche erschauen konnten. Unzählige Fische streckten ihre Köpfe daraus hervor und vollführten zuweilen amüsant anzusehendeHechtsprünge, die jedes Mal ein leises Wasserklatschen hervorriefen. Andere der Gewässer waren hingegen durch Bäume, wie Buchen, Birken oder Weidebäume, verdeckt und nur durch die Vielzahl der darüber kreisenden Vögel oder das Plätschern von kleinen Wasserfällen zu erraten.
Nach dem Mittag begann sich die Landschaft nördlich ihres Reiseweges zu verändern. Das offene Gelände schwand und wurde zunehmend von Bäumen bestanden. Diese vereinten sich zunächst zu vielen einzelnen Gruppen und schließlich zu einem einzigen dichten, düster wirkenden Wald. Dieser erschien groß und kaum begangen zu sein, denn kein sichtbarer, ausgetretener Pfad führte zu ihm hin, und auch befand sich keine Siedlung von Menschen in seiner Nähe. Aidan erklärte, dass dies der Nordforst * war, das größte zusammenhängende Waldgebilde innerhalb des Königreiches.
„Die Tatsache, dass der Hain von uns Lemuriern und ebenso von allen anderen Lebewesen in der Regel gemieden wird, liegt zweifellos in der Geschichte begründet, die man sich von ihm erzählt“, fuhr der Sohn Kherons fort. „Hier, unter dem Dach der endlosen Nadelbäume, lebte in weitaus früheren Tagen ein großer Teil der Lindar Arthiliens. Diese waren unter den beiden Elbenvölkern diejenigen, welche die Geborgenheit und Ruhe der Bäume bevorzugten und sich in deren Schutz vielen musischen Künsten widmeten. Von ihrem Stamm war auch der Verräter Furior Feuerzorn, dessen Fähigkeiten unter den Elbenkindern im Übrigen einzigartig waren.
An diesem Ort war es aber auch, an welchem sich das vereinte Elbenheer zu seiner letzten Schlacht zusammenfand. Dasselbe bestand aus den Lindar des Nordforstes, ihren Brüdern und Schwestern aus den Leuchthainen östlich des späteren Rhodrims, die von Fürstin Ganúviel angeführt wurden, sowie den Nolori, die unter ihrem König Thingor an den westlichen Meeresküsten lebten. Trotzdem die Elben furchtlos und mit großem Geschick kämpften, wurden sie bei dieser Gelegenheit letztendlich von den Ogern und dem flammenden Brodem des mächtigen Moron vernichtet. Seit diesen Tagen erhielt der Wald seinen unheilvollen Ruf.
Manche Abenteurer, die ihn seither durchwanderten, berichteten, dass tief in seinem Innern dunkle Gräben und Schneisen zu finden sind, in denen kein Wuchs gedeiht und die noch immer von der zerstörerischen Gewalt des Schwarzen Drachens zeugen.“
„Von dieser Geschichte hat man in Zwergenauen noch nichts gehört. Zumindest nichts Genaues. Wobei ich gestehen muss, dass wir uns für die Taten der Spitzohren niemals sonderlich interessiert haben“, sagte Dwari, der noch immer vor seinem Freund Braccas auf dessen Braunen saß. Von jener Erinnerung an längst vergangene Zeiten wirkte der Zwerg ebenso beeindruckt wie seine menschlichen Begleiter.
Die Gefährten ritten in leichtem Galopp weiter und ließen den unheimlichen Nordforst nach einer Weile hinter sich. Kurze Zeit darauf gelangten sie an eine Weggabelung, an der sich viele Menschen tummelten. Eine breite Straße führte von hier aus nach Süden in die dortigen Städte und Siedlungen, von denen das weit entfernte Isandretta sicherlich die bedeutsamste war. Jene Abzweigung war gleichzeitig die letzte Möglichkeit, die Straße nach Osten auf einem befestigten Weg zu verlassen, denn anschließend würde sich diese durch kaum bebautes und bewohntes Niemandsland winden, bis sie
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