Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
schimmerten die hoch getürmten Steine der Mauer in den immer trüber werdenden Schatten des Abends. Der Stahl des Osttores aber glänzte mit seinem weißen Anstrich noch immer so sehr, dass dies selbst für entfernte Wanderer unübersehbar war.
Wie ein monumentaler Wächter erhob sich das gigantische Bauwerk über das flache, einsame Land, welches es mit seinem ehernen Antlitz durchschnitt. Seine Linie verlief dabei so gerade von Nord nach Süd wie ein von ruhiger Hand geführter Pinselstrich und erwies sich dabei auch gegenüber schwierigem Gelände als unnachgiebig. Zwei hohe Türme ragten, die Pforte flankierend, noch über die Zinnen der Mauerbrüstung hinaus und boten bei klarem Wetter in alle Himmelsrichtungen eine Sicht über viele Meilen hinweg.
Die Angehörigen der Gemeinschaft sahen sich um, ehe sie sich weiter näherten, und erblickten ein gutes Stück diesseits des Walls, vom Tor aus ein wenig nach Süden versetzt, eine Art Feldlager. Dieses war schlicht und bestand aus mehreren solide wirkenden Zelten, einer Feuerstelle und einer Balkenkonstruktion zum Anbinden von Pferden. Einige Männer saßen dort auf Hockern oder Decken um das entfachte Feuer herum und genossen gemeinsam die warme, sommerliche Abendluft. Ihre hellbeigen Uniformen verrieten, dass es sich bei der Lagerstätte um eine Unterkunft für die zum Schutz dieses Teils der Tôl Womin eingesetzten lemurischen Soldaten handelte. Neben den Wachen gab es üblicherweise auch kaum jemanden, der sich in jener abgelegenen, von der Zivilisation scheinbar vergessenen Gegend aufhielt zu solch später Stunde, denn die nächsten besiedelten Ortschaften waren weit entfernt.
„Gewiss sind die Torwächter über unser Ankommen längst unterrichtet und haben bereits Vorbereitungen für unseren Aufenthalt getroffen“, sagte Aidan, der sich mittlerweile neben Arnhelm an die Spitze der Gemeinschaft gesetzt hatte. Stolz richtete er sich dabei in seinem Sattel auf.
„Kein Wort über das Goldene Schwert oder sonstige Einzelheiten unseres Auftrags“, ermahnte Arnhelm eindringlich. Ihm wäre es wohl am liebsten gewesen, wenn er und seine Begleiter allein gerastet hätten, ohne sich neugierigen Blicken und Fragen auszusetzen. Nur allzu gut kannte er die Schwatzhaftigkeit der Menschen, und man wusste nie, wer mithin von Dingen erfuhr, die man klugerweise verborgen hielt.
Zur allgemeinen Überraschung verlief der Besuch der Feldunterkunft zunächst gänzlich anders als von Aidan angekündigt. Zwei bewaffnete Soldaten, die gerade Patrouille gingen, erhoben unverzüglich drohend ihre Speere, als sie die Gruppe herantraben sahen. Sogleich darauf ergriffen die übrigen Männer, die sich zuvor ausgeruht hatten, ihre bereit liegenden Schwerter und gesellten sich zu ihren Kameraden hinzu.
„Wer da? Hier ist ein Lager der Armee Lemurias, das nicht für Fremde offen steht!“, rief einer der Wachen mit grollender, bärbeißiger Stimme, die wenig einladend wirkte.
„Hier reitet der Sohn Eures Königs, des Herren der Himmelblauen Stadt, mit seinen Freunden“, gab Aidan mit unterdrücktem Unmut zurück. Es war ihm sichtlich peinlich, dass man ihn nicht gleich erkannt hatte.
Erst nachdem die Soldaten die Reiter und insbesondere den Prinzen eingehend betrachtet hatten, senkten sie ihre Waffen nieder. Ihre Verblüffung über die unerwarteten Besucher war ihnen auf die Gesichter geschrieben.
„Verzeiht, Herr, aber wir verrichten hier nur unsere Pflicht und sind gehalten, sehr wachsam und misstrauisch zu sein, besonders seitdem die Gefahr durch die Orks besteht“, sagte derjenige, der zuvor bereits gesprochen hatte. Zwar schienen seine Worte versöhnlich zu sein, doch war der Ton in seiner Stimme noch immer grantig und mit einigem Trotz behaftet.
In der folgenden Unterhaltung stellte sich heraus, dass tatsächlich weder Kheron noch Beregil daran gedacht hatten, Nachricht über die Ankunft der Gemeinschaft an diesen Ort zu entsenden. Dies erklärte die Überraschung der Wachen. Dennoch war Aidan über den unfreundlichen Empfang verärgert und bestand darauf, dass die Soldaten in der Nähe ihres Lagers drei weitere Zelte aufschlugen und außerdem ein schmackhaftes Abendessen für ihn und seine Begleiter bereiteten. Derweil schienen die Wachen an dem Wortgeplänkel mit dem Thronerben Gefallen zu finden und brachten allerlei Ausflüchte vor, um sich vor den gewünschten Arbeiten zu drücken.
„Aber die Zelte, die wir erübrigen können, sind alle beschädigt und nicht
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