Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
anderer als Obron – so war er überzeugt – als dienstältester und stets überaus fleißiger und vorbildlicher Heeresmeister für diese Ehre an der Reihe gewesen wäre!
Er selbst hatte Falmir noch niemals leiden mögen. Ansonsten aber flogen diesem die Sympathien von allen Seiten wahrlich zu, und dies obwohl – oder vielleicht gerade weil – dieser viele der traditionellen militärischen Verhaltensregeln missachtete. So entbehrte sein Umgangstonsowohl des stattlichen Respekts gegenüber solchen Personen, die höhere Ränge als er bekleideten, als auch der distanzierten Strenge gegenüber der einfachen Soldatenschaft. Was nur gefiel Kheron, der ansonsten nicht zu Unrecht den Beinamen der Strenge trug, und Beregil, der während seiner gesamten Laufbahn als Soldat als Inbegriff von Disziplin galt, nur an diesem Kerl? Seine Freundschaft zu Arnhelm, dem rhodrimischen Thronerben, hatte sicherlich nicht den Ausschlag gegeben.
Irgendwann war Obron in jener voranschreitenden Nacht dann über eine abwärtsführende Treppe in den Keller seiner Behausung gegangen. In der großen Kammer, die ihn erwartete und die ansonsten als Vorrats- und Waschraum diente, entzündete er zwei Laternen, die an der linken sowie der hinteren der vier grau verputzten Wände aufgehängt waren. Alles war vorbereitet, und die Zeit, die der gänzlich in Schwarz gehüllte Anführer der Durotarer ihm für ihr nächstes Treffen genannt hatte, sollte in wenigen Minuten gekommen sein.
Der nicht sehr große, kahlköpfige Mann trug seine hellblaue lemurische Uniform. Sie war mit einigen Abzeichen aus Leder und Metall geschmückt und wies ihn durch die silbernen Aufstickungen an den Schulterstücken als hochrangigen Offizier aus. Selbst zu Hause und in der wenigen Freizeit, die er sich gönnte, legte er seine dienstliche Kleidung nur selten ab, denn schließlich verkörperte sie nicht nur seine Zugehörigkeit zur Armee des Königreiches, sondern darüber hinaus seine gesamte Lebensidentität, denn er war wahrhaftig mit jeder Faser seines Herzens Soldat.
Allein die Tatsache, dass er mit jemandem, der sein geliebtes Heimatland bedrohte, gesprochen und nichts darüber an eine höhere Stelle berichtet hatte, hatte ihn sich viele Tage wie einen Verräter fühlen lassen. Es waren Wochen gewesen, in denen ihm Gewissensbisse und schreckliche Träume große Qualen bereiteten, und nicht einmal gegenüber seiner Frau oder einem engen Freund – von denen er weiß Gott nicht viele besaß – hatte er sein Herz erleichtern können. Denn schließlich hatte er sich in früheren Tagen immer wieder gesagt, dass er lieber bei der ehrenvollen Verteidigung seines Landes sein Leben lassen als jemals mit dem Feind paktieren wollte. Darüber hinaus war das Heer der Orks bezwungen worden, und Falmirs Suchtrupps hatten berichtet, dass Durotar verlassen war und sich die Flüchtigen auf dem Weg zurück in das Orkland befanden. Eine Gefahr für die Welt der Menschen schien demnach nicht mehr zu bestehen. Gleichwohl hatte die über alle Maßen respekteinflößende Gestalt des Schwarzen Gebieters, der nunmehr über Aurona, das unwiderstehliche Goldene Schwert, gebot, mit großer Selbstsicherheit das Gegenteil verkündet, was immerhin einen weiteren Handlungsbedarf zur Errettung Lemurias bedeutete.
Auf jeden Fall war es Obron, seitdem er auf solch verschwörerische Weise mit dem Feind in Berührung kam, nicht gelungen, sich von dem Zwist, der in ihm tobte, zu befreien. Unentwegt focht sein Gewissen Kämpfe aus mit seinem Wunsch nach Rache und Anerkennung, denn immer wieder flammte in ihm der Zorn über den König, Beregil und Falmir auf, aber auch über die vielen einfachen Soldaten, denen er sein ganzes Leben gewidmet hatte und die seinen jüngeren Konkurrenten offensichtlich mehr mochten und schätzten als ihn. Zudem fiel ihm nun, da der Schwarze Gebieter ihn darauf hingewiesen hatte, an zahlreichen Beispielen auf, wie verweichlicht, selbstsüchtig und dekadent Lemuria und insbesondere dessen große Metropolen mittlerweile geworden waren. Kaum einer war noch bereit, Verantwortung zu übernehmen und seine persönlichen Bedürfnisse zu Gunsten der Allgemeinheit zurückzustellen. Sogar jetzt, da seit der verlustreichen Schlacht gegen die Orks erst kurze Zeit verstrichen war, war die Trauer über die Gefallenen längst wieder versiegt und hatte heftiger Geschäftigkeit und fröhlichem Treiben Platz gemacht. Kein Mensch sorgte sich mehr als unbedingt notwendig über die Zukunft des
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