Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
haftete ihm eine beachtliche Schönheit an, denn es war wohlgeformt, mit einer schmalen Nase und dünnen Lippen und einer faltenlosen Haut. Die Augen waren gerade noch zu erkennen, denn das Haar fiel weit in das Gesicht hinein und verdeckte weite Teile des Antlitzes. Das Blau in ihnen war so dunkel und unergründlich wie das Meer, und Geheimnis, großes Wissen und die Empfindungen von Leid und Schuld spiegelten sich gleichermaßen unter ihrer Oberfläche. Der Leib des Sitzenden war schlank und wirkte in seiner ungeraden Haltung gramvoll und geschwächt. Bedeckt wurde er von einem einfachen, dunkelbraunen Gewand, welches offensichtlich vor langer Zeit aus abgewetztem Leinen gefertigt worden war. Schmutzränder und zahlreiche Risse übersäten das Tuch und sorgten für den Eindruck, wahrlich einen mittellosen Bettler vor sich zu haben.
„Nun, im Gegensatz dazu habe ich immer daran geglaubt, Euch wiederzusehen, Meister“, sagte Zarr Mudah. „Und meine Hoffnung wurde nicht getrogen.“
„Hoffnung ist oftmals trügerisch, und doch vermögen wir ohne den Trug der Hoffnung nicht zu existieren“, sagte die Person, die auf der steinernen Bank saß. Mit einem Male erhob sie sich und stellte sich aufrecht hin, auch wenn ihre Knie ein wenig wackelig erschienen. Erwartungsvoll sah sie den Reiter nunmehr an, wobei ihr Blick ausdruckslos verblieb und nichts über ihre Regungen aussagte. „Willst du nicht absteigen und deinen alten Lehrmeister aus der Nähe begrüßen, oder widerstehen dir die Lumpen, in die ich mich gehüllt habe, um meine Vergangenheit zu Grabe zu tragen?“
„Nichts dergleichen ist der Fall, und überhaupt ist die Stunde, da man Euer Grab ausheben wird, noch in weiter Ferne, wie ich zu wissen glaube“, antwortete der Ork. Er stieg von dem Maultier hinab, das an der Begegnung weniger interessiert zu sein schien als die beiden anderen Anwesenden, und ging lächelnd voran. Dicht vor der Gestalt, die ihn an Größe überragte, blieb er stehen und verharrte, denn es war unter den Elben stets Sache des Höherrangigen oder eben des Lehrmeisters, den ersten Schritt zu einer körperlichen Berührung zu tun.
Die Person, welche unter dem Namen Edringas bekannt war und sich in ein schäbiges Braun kleidete, umarmte den Ork, beugte sich nach vorne und berührte nacheinander mit seinen Wangen die jeweils entgegengesetzte seines Gegenübers. Dabei fielen die Berührungen der beiden Körper nur sehr sanft und sparsam aus, denn die Elben scheuten solcherlei mehr als alle anderen Völker. Der Zerk-Gur wusste dies natürlich und erwiderte die Begrüßung mit einer geübten Selbstverständlichkeit. Allzu lang hatte er sich schließlich mit den Gebräuchen des Volkes, welches einst mit der Velarohima Arthilien erreichte, vertraut machen können, auch wenn Jahrhunderte seither vergangen waren.
„Furior, Kind der Lindar, der wunderbarste aller Elben und Wesen Arthiliens, dem an Kunst, Geschick und Magie niemand anderes gleichkommt! Ihr lebt, auch wenn man seit fünfzehn Jahrhunderten nichts mehr von Euch hörte!“, sagte Zarr Mudah feierlich.
„Von keinem der Angehörigen meines Volkes hat man etwas gehört seit dieser Zeit, und niemand weiß, wohin sie entschwunden sind. Und an ihrem Schicksal bin ich nicht schuldlos, wie wir beide wissen, doch hatte ich andererseits auch gute Gründe für mein Handeln“, sagte derjenige, der als Einsiedler das Rote Tal bewohnte. Die behäbige Traurigkeit, die zuvor in seiner Stimme schwang, hatte sich nun ein wenig gelegt und Stolz und Trotz Platz gemacht.
„Zarr Mudah, der einzige Bewohner Orgards, der in den besten Tagen der Elben in deren Schatten lebte, auch wenn dies im Geheimen geschah und sie ihn vertrieben, sobald sie von seiner Anwesenheit erfuhren!“, fuhr er fort. „Vielleicht aber wären sie anders mit dir verfahren, wenn nicht ich es gewesen wäre, der dich unterrichtet hätte, denn viele von ihnen fürchteten meine Kunst und wussten, dass sie daher auch deinen Fähigkeiten nicht gewachsen waren. Und wie ich nun sehe, ist es dir indessen gelungen, die Drohung des irdischen Todes zu vertreiben, denn du bist keinen Tag gealtert seit einst. Aber nun komm, es wird bald dunkel, und es ist bereits kühl des Nachts. Wir haben nicht oft Besucher hier, die Bäume, die Pflanzen, die Tiere dieses Tales und ich, doch es wird genügen für ein angenehmes Feuer, eine Tasse heißen Tee und einige talas, die dir niemals wirklich geschmeckt haben, wenn du ehrlich bist, mein
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