Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
Mutter ein lange gehütetes Geheimnis lüftete, welches die Welt, die ihm bekannt war, wie ein Kartenhaus einreißen würde. Seine Befürchtungen quälten ihn so sehr, dass er die Stille schon nach einigen Sekunden nicht mehr ertragen konnte und beinahe aufgesprungen wäre. Dann aber erhob die Herrin Rhodrims ihre für gewöhnlich zarte Stimme zu einem lauten, bestimmenden Klang.
„Boldred, lass unseren Gast hereinkommen!“, sagte sie befehlend.
Im Türrahmen erschien der kräftig gebaute Heeresmeister mit nun vier Wächtern, die Speere trugen und auf beiden Seiten des Durchgangs Aufstellung nahmen. Argwöhnisch richteten sich die Blicke auf den Thronerben, der angespannt in seinem Sitz verharrte und auf alles gefasst war. Dann erschien zwischen den in graues oder braunes Rüstzeug gehüllten menschlichen Soldaten eine schwarze Gestalt, die in den Augen Arnhelms unverzüglich Grauen und Bestürzung hervorrief. Der Harnisch, das Beinkleid, der Umhang, der das Gesicht bis auf den breiten Sehschlitz verhüllende Helm mit den kronenartigen Zacken und schließlich das Heft mit dem goldenen Knauf, das hinter dem Rücken aus einer Schwertscheide lugte – es schien unmöglich und war doch unverkennbar, wer geradewegs vor ihm stand.
Der Fürstensohn sprang auf, sogleich er den ersten Schrecken überwunden hatte, und zog im gleichen Atemzug sein Schwert. Wie eine pflichtbewusste Wache stellte er sich zwischen diejenigen, die den Raum betreten hatten, und Imalra, denn der erste Gedanke, der ihm kam, besagte, dass Dirath Lum von den Feinden durch eine List überwältigt und seine Mutter zu einer Geisel geworden war. Dies schien ihm die naheliegendste Erklärung zu sein. Grimmig und entschlossen, sie mit seinem Leben zu verteidigen, sah er die Soldaten an. Diese hatten ihre langen Waffen ihrerseits auf ihn gerichtet, um ihn auf Distanz zu halten, wirkten ansonsten aber weniger angriffsbereit als verwirrt, verschämt und in ihren Gefühlen hin und her gerissen. Zweifellos fiel den Männern das Gehorchen der Befehle, die man ihn zu erfüllen auftrug, nicht einfach.
„Senk dein Schwert, Arnhelm, und denke daran, was du mir soeben versprochen hast!“, sagte hinter ihm plötzlich eine Stimme. „Mir droht ebenso wenig eine Gefahr wie dir, denn derjenige, den du als den Schwarzen Gebieter kennst, ist mit meiner ausdrücklichen Billigung hier. Tatsächlich ist er sogar ein enger Freund unserer Familie, wie du sogleich erfahren wirst.“
In ungläubigem Staunen wandte sich Arnhelm um und betrachtete seine Mutter, die mittlerweile ebenfalls aufgestanden war. Ihre Lippen und Züge waren zu einem zufriedenen Gesichtsausdruck verzogen. Es schien sogar, dass sie erleichtert und beinahe freudig war, so als stünde ihr die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches endlich unmittelbar bevor.
„Du kennst dieses Wesen?“, fragte der Sohn Imalras. Zugleich fiel sein rechter Arm schlaff an seiner Seite herab und ließ die Klinge mit sich sinken.
„Sei unbesorgt, du wirst alles erfahren und dir indessen über viele Dinge im Klaren werden“, sagte seine Mutter.
Der blondhaarige Rhodrim fuhr wieder herum, sodass die Soldaten nervös erzitterten. „Dann lasst mich hören, über was ich hier als einziger nicht im Bilde zu sein scheine und was meinen Zorn über den Tod so vieler meiner Freunde angeblich mildern soll!“, sagte er und schleuderte Boldred sein Schwert vor die Füße. Danach setzte er sich abermals auf den gepolsterten Stuhl nieder und harrte ausdruckslos der Worte, die nun folgen und ihn über vieles, das ihm zuvor unbekannt war, unterrichten sollten.
Mit langsamen Schritten stapfte der Schwarze Gebieter nach vorne, woraufhin die rhodrimischen Wachen ehrfürchtig zurückzuckten. Einige Schritt von Arnhelm entfernt, hielt er schließlich inne und schickte sich zu einer Rede an, die schwer und metallisch durch seinen geschlossenen Helm drang.
„Du trägst viel Hass auf mich in dir, Arnhelm, Sohn Tarabunts, Erbe Rhodrims, der du mich als den Befehlshaber des orkischen Durotar kennen gelernt hast. Das ist verständlich, doch sind Gefühle unbeständig und können sich rasch wandeln, wenn man erst alle Wahrheiten kennt. So zum Beispiel fragst du dich, welches Wesen sich hinter der Maske verbirgt, die ich trage, bin ich Ork oder Zauberer oder ein Geschöpf, das mit keinem anderen vergleichbar ist? Nichts von alledem trifft zu, wie ich dir nun zeigen werde.“
Die schwarzgewandete Gestalt fasste sich mit beiden Händen
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