Die Zwei Schwerter, Band 2: Die Rückkehr der Elben (German Edition)
seitlich an den Hals und schob den Stahl, der über ihren Kopf gezogen war, behutsam nach oben. Da die Haube sehr eng ansaß,bereitete jene Prozedur einige Mühe. Dann aber streifte sie den Helm gänzlich über das leicht gebeugte Haupt und gab damit den Blick auf ihr unverhülltes Gesicht frei. Nun, da der Schatten von ihm gewichen war, kam das Antlitz eines Menschen zum Vorschein.
Arnhelm betrachtete eingehend die Züge des Mannes, dessen Alter vielleicht jenseits der Vierzig lag, jedoch tatsächlich nur schwer einzuschätzen war. Halblanges, dichtes, dunkelblondes Haar, das seinen eigenen nicht unähnlich war, quoll an dessen Schläfen hinab. Obwohl er die Person zweifellos noch niemals zuvor gesehen hatte, hatten ihre harten Züge doch irgendwie etwas Vertrautes an sich.
„Ich werde dir meine Geschichte erzählen“, sagte der Mensch, welcher der Schwarze Gebieter war. Seine Stimme klang nun, da sie nicht mehr durch den Stahl gefiltert wurde, erheblich verändert. „Einst war ich der Hüter Auronas und wurde von dem Einen dazu auserkoren, die Menschen in eine glückliche, friedselige Zukunft auf dem neuen Kontinent, den die Elben Arthilien nannten, zu führen. Jedoch wurde ich um den Thron, der mir zustand, und das Goldene Schwert betrogen, sodass ich das noch junge Lemuria verließ und mit meinen Getreuen mein eigenes Land gründete. Ich rede von Rhodrim, dessen Erstehen ich einst innerhalb eben dieser Mauern ausrief. Denn ich bin Theron Goldklinge, der den Schwarzen Drachen erschlug und doch von meinem eigenen Volk verschmäht wurde.“
Der Sohn Imalras erstarrte in seinem Sitz. Die Schatten der Ungewissheit, welche die ganze Zeit über sein Bewusstsein getrübt hatten, verdichteten sich innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem zusammengefügten, lebendigen Bildnis, das wahrlich erschütternd war, wie ein abscheulicher Traum, der Wirklichkeit geworden war. Es war, als hätte jemand eine Tür vor ihm aufgestoßen und ihm eine Welt gezeigt, die er bislang nur aus staubigen Büchern kannte und deren Verherrlichung ihm mit einem Mal unpassend erschien. Der große Theron, der Gründer seines Heimatlandes höchstselbst, stand vor ihm und gestand ein, Krieg gegen sein eigenes Volk, welches er in früheren Tagen mit seinen starken Armen schützte, geführt zu haben. Sein Hass galt dem Undank, den die Menschen ihm gegenüber vor langer Zeit gezeigt hatten, indem sie ihm die Königskrone verwehrten und an seiner Statt den ältlichen Methoss mit jener Würde bedachten. Zwar enthielten seine Worte einiges an Wahrheit, doch durfte man nicht verkennen, dass jene damalige Entscheidung weitaus weniger den Willen der einfachen Bürger widerspiegelte als vielmehr die kühl berechnende Selbstsucht einiger weniger einflussreicher Intriganten, die sich als Adlige und Vermögende einen möglichst schwachen Herrscher wünschten.
„Nachdem ich auch Rhodrim in meiner Aufgewühltheit verließ, um den Rest meines Lebens als Einsiedler und rastlos Suchender zu verbringen, gelangte ich schließlich in die Leuchthaine südöstlich meines Landes, wo ich auf eine kleine Gruppe Elben traf“, fuhr der Mann fort. „Sie empfingen mich freundlich und erklärten, dass sie einige der letzten vom Stamm der Lindar seien, die noch nicht in die Obhut der verborgenen Zufluchtsstätte ihres Volkes gegangen waren. Jedoch beabsichtigten auch sie, sich bald dorthin, in den sicheren Schutz des Ered Fuíl, zu begeben.
Dann aber wollte es das Schicksal so, dass eine Elbin namens Sinalwa und ich Gefallen aneinander fanden und uns verliebten, was nicht von allen ihrer Stammesbrüder und -schwestern gerne gesehen wurde. Es kam soweit, dass Eldorin, der älteste Sohn der gefallenen Fürstin Ganúviel, uns verbot, den anderen nachzufolgen. Er begründete dies damit, dass kein Mensch die Geheimnisse des Elbenvolkes kennen durfte, um dessen Sicherheit zu wahren. Tatsächlich jedoch vermutete ich immer, dass er fürchtete, Sinalwa könne seiner jüngeren Schwester Erenya, die sich an Schönheit und Klugheit ähnelten, ihre Position streitig machen, obwohl sich beide gut verstanden und meine Gefährtin keinerlei Ehrgeiz in politischen Dingen hegte.
Letztendlich blieben wir notgedrungen allein in den Leuchthainen zurück und lebten dennoch sehr glücklich. Meine Frau brachte bald ein Töchterchen zur Welt, die je zur Hälfte dasBlut der Elben und Menschen vereinte. Gleichzeitig bemerkte ich etwas Eigentümliches an mir, nämlich dass ich nicht wie die
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