Die Zweierbeziehung
werden nicht zum gemeinsamen Problem. Die Frau verweigert dem Mann den kollusiven Brückenschlag. Sie lehnt es ab, in der ihr angebotenen Kollusion mitzuspielen.
Der Partner kann grundsätzlich in einer angebotenen Kollusion mitagieren oder nicht. L AING (1973) schreibt dazu: «Wenn man Kollusion verweigert, fühlt man sich schuldig, weil man nicht die Verkörperung des vom Andern für seine Identität benötigten Komplements ist oder wird. Gibt man aber tatsächlich nach, lässt man sich tatsächlich dazu verleiten, wird man seinem eigenen Selbst entfremdet und macht sich deshalb des Selbst-Verrats schuldig» (S. 117). L AING betont also vor allem den Aspekt, dass man sich vom Partner ein falsches Selbst aufdrängen oder in einem falschen Selbst bestätigen lässt. Ich glaube demgegenüber, dass der Partner im Allgemeinen nicht zur Vermeidung von Schuldgefühlen eine Kollusion eingeht, sondern dass er von sich aus die Disposition in sich trägt, dieses vom Partner erwartete Selbst zu verkörpern, das dem eigenen Ideal entspricht. Zur Kollusion kommt es erst bei einer beiderseitigen neurotischen Reaktionsbereitschaft. Fehlt diese, so kann der Partner zwar eventuell stark unter der neurotischen Beziehungsstörung des Ersteren leiden, ohne dass in ihm dadurch ein eigener Konflikt, ein Zwiespalt mit irrationalen Ängsten und starren Abwehrmaßnahmen entsteht. Er wird sich weder in der Beziehungsstörung des Partners überengagieren noch sich dieser gegenüber vermauern. In der therapeutischen Praxis bewährt es sich, zunächst grundsätzlich eine Kollusion, also ein neurotisches Zusammenspiel, anzunehmen, es sei denn, der eine Partner habe selbst das Gefühl, die Ehestörung werde einseitig durch
seine eigenen Probleme
verursacht. Wird er aber von seinem Partner zur Therapie angemeldet, muss bis zum Erweis des Gegenteils eine Kollusion angenommen werden.
Weil die
Kollusion
sich meist erst aus einem Anpassungsprozess ergibt, ist sie
nicht ein schicksalhafter Prozess. Ein Individuum mit einer neurotischen Beziehungsstörung sucht sich nicht zwangsläufig einen Partner, mit dem es die entsprechende Kollusion aufbauen muss.
Ich möchte auch die von Psychotherapeuten oft geäußerte Annahme relativieren, dass ein neurotisches Individuum in einer zweiten oder dritten Ehe genau dasselbe neurotische Debakel inszenieren wird wie in der ersten gescheiterten Ehe. Sicher sind solche Fälle nicht selten. Es kommt aber auch vor, dass die Zweitehe wesentlich anders strukturiert ist. Dasselbe Individuum kann sich mit dem einen Partner in eine neurotische Beziehung verstricken, während es mit einem anderen eine recht gesunde Beziehung aufbauen kann.
Eine Kollusion ergibt sich, wenn gleichartige neurotische Beziehungsbereitschaften bei beiden Partnern in Resonanzschwingung geraten.
Jeder Mensch hat verschiedene schwache Stellen, die ihn für ein neurotisches Arrangement ansprechbar machen. Jeder Mensch hat aber auch Möglichkeiten, Fehltendenzen zu erkennen und zu korrigieren. Dem Psychotherapeuten ist das aus seinen «Gegenübertragungen» bekannt.
7.3. Literatur zur Kollusion und kollusiven Gruppenprozessen Kollusive Gruppenprozesse
Der Begriff «Kollusion» findet sich in der Literatur von Partnerbeziehungen verschiedentlich. Wie L AING in «Das Selbst und die Anderen» (dt. 1973) schreibt, meint der Begriff Kollusion ein heimliches Einverständnis. Lusion komme von
ludere,
das neben spielen auch die Bedeutung von täuschen hat. Kollusion ist ein «Spiel», das von zwei oder mehr Leuten gespielt wird, die sich dabei gegenseitig täuschen. Ein wesentlicher Grundzug des Spiels ist, nicht zuzugeben, dass es ein Spiel ist. Kollusion wird – nach L AING – immer dann endgültig erreicht, wenn man im anderen jenen anderen findet, der einen in dem falschen Selbst «bestätigt», das man zu realisieren sucht. Jeder hat einen anderen gefunden, der ihm seine eigene falsche Vorstellung von sich selbst bekräftigt und diesem Eindruck den Schein von Realität verleiht.
Wesentliche Anregungen zur Entwicklung meines Konzeptes habe ich von Henry D ICKS erhalten. Er entwickelte sein Konzept in der Terminologie F AIRBAIRNS und Melanie K LEINS . In seinem Buch findet sich das Beste, was meines Wissens von analytischer Seite zur Psychodynamik von Ehekrisen gesagt wurde. Das wesentliche Motiv zur Partnerwahl sieht D ICKS in der Wiederentdeckung der unterdrückten und verlorenen Aspekte (libidinöse Anteile) des Selbst im Partner (unter der
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