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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Klarheit darstellen. Die Regression auf frühkindliche Konflikte in der Ehe liegt nahe, weil diese viele Analogien zur frühen Eltern-Kind-Beziehung hat.
    In der Gruppenpsychotherapie kann eine analoge Regression aller Teilnehmer beobachtet werden. B ION unterscheidet bei jeder Gruppe zwei Aspekte: 1. den Aspekt der Arbeitsgruppe, das heißt die realitätsbezogene, zielgerichtete Kooperation der Gruppenmitglieder, deren Funktionsweise einer gewissen Reife entspricht; 2. den Aspekt der Grundeinstellungsgruppe, das heißt die Entfaltung mächtiger emotionaler Kräfte, die einer gemeinsamen Grundannahme entspringen und zu einer starken Kohäsion in der Gruppe führen. Diese Kräfte tragen sehr unreife Züge. In einer Therapiegruppe ist die Regression zur Grundeinstellungsgruppe aus therapeutischen Gründen erwünscht. B ION beschreibt verschiedene typische Grundannahmen, die von H EIGL -E VERS in abgewandelter Form übernommen werden.
    Die Beobachtungen von B ION lassen sich auf Ehekonflikte übertragen: Der Aspekt der Arbeitsgruppe geht unter dem kollusiven Konflikt verloren. Die Regression auf eine gemeinsame Grundannahme ist durch starke emotionale Kräfte gekennzeichnet und vermittelt dem Paar eine hohe, aber unreife Kohäsion. Es ist immer wieder erstaunlich, wie dieselbe Person, die im Arbeitsbereich in reifer Weise Konflikte aushandelt, im Ehebereich auf infantiles Streitverhalten regrediert.
    Die Kollusion als eine Regression der Partner auf ein gemeinsames, meist unbewusst gehaltenes Grundthema ist ein gruppendynamisches Phänomen, das sich überall vorfindet, hier aber – der Thematik dieses Buches entsprechend – auf Zweierbeziehungen beschränkt wurde. Kollusionen spielen aber in allen Gruppenkonflikten, selbst in der Politik, eine wichtige Rolle. Überall, wo sich in Konflikten radikale Gruppen gegeneinander polarisieren, kann man beobachten, wie die eine Gruppe den von ihr verdrängten eigenen Anteil in der Gegengruppe verfolgt. Führt eine Revolution zum totalen Sieg der einen Seite, so etabliert sie oftmals ein Herrschaftssystem, das dem System, das sie überwinden wollte, erschreckend ähnlich ist.

[zur Inhaltsübersicht]
8. Das Einbeziehen von Drittpersonen in den Paarkonflikt Drittpersonen im Paarkonflikt
    Bis jetzt beschränkte sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Psychodynamik der Zweierbeziehung, auf das Zusammenwirken der Ehepartner in der Kollusion, so als ob diese sich in einem geschlossenen System abspielen würde. Die Dyade ist aber nie völlig in sich geschlossen. Sie hat als halboffenes System eine eigene innere Dynamik, sodass die bisherige Darstellung nicht falsch, aber einseitig und ergänzungsbedürftig ist. Insbesondere wenn die Dyade im kollusiven Konflikt unter Stress gesetzt wird, ist die Einbeziehung von Drittpersonen eine der wichtigsten zusätzlichen Abwehrmaßnahmen. Murray B OWEN bezeichnete den Triangel als kleinstes stabiles Beziehungssystem, als emotionales Molekül. Ob dies generell für alle Beziehungen zutrifft, mag dahingestellt sein. Sicher ist, dass unter Stress dyadische Systeme zur Dreiecksbildung neigen. Die Einbeziehung von Drittpersonen kann die eigene Stellung gegenüber dem Konfliktpartner stärken oder das Paar fester aneinanderbinden.
    Um nicht missverstanden zu werden: Ein in sich abgeschlossenes Paar ist ein pathologischer Zustand. Das Sich-Einlassen und -Auseinandersetzen mit Drittpersonen ist für die Gesunderhaltung und Weiterentwicklung eines Paares notwendig! Dieses Kapitel beschäftigt sich nun aber mit einer ganz bestimmten Form von Einbeziehung einer Drittperson in den Ehekonflikt. Die Drittperson hat funktionellen Charakter und dient dem Paar dazu, einen offenen ehelichen Konfliktaustrag zu vermeiden oder sich mit dem Konflikt besser zu arrangieren. In diesem Kapitel soll die Einbeziehung von Drittpersonen also nur in ihrem
Abwehraspekt
bearbeitet werden.
    Es sollen vier Formen behandelt werden, wie ein Paar im kollusiven Konflikt ein Dreieck bilden kann:
    Der Zusammenschluss gegen einen bedrohlichen Dritten.
Die Drittperson als Puffer und Bindeglied.
Die Drittperson als einseitiger Bündnispartner.
Funktionsteilung in der ehelichen Dreiecksbeziehung.

8.1. Der Zusammenschluss gegen einen bedrohlichen Dritten
    Eine intradyadische Spannung kann damit neutralisiert werden, dass sie nach außen verlegt wird, das heißt, Partner A und B finden eine Drittperson C, die als gemeinsame Herausforderung oder Bedrohung erlebt wird, sodass sie

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