Die Zweierbeziehung
nach männlicher Führung. Im Gegensatz zum ersten Gespräch, wo unter dem Vorwand der Bergsteigerei bereits tiefere persönliche Bedürfnisse angesprochen werden, bringt dieser Gesprächsansatz keine persönliche Annäherung.
Die kollusive Partnerwahl darf nicht als Schlüssel-Schloss-Phänomen gesehen werden, bei dem zwei Persönlichkeiten von vornherein fugenlos ineinanderpassen. Vielmehr vollzieht sich die Paarbildung als Anpassungsprozess, der bei beiden Partnern zu einer Umschichtung von latenten und manifesten Persönlichkeitsmerkmalen führen kann. Besonders wichtig für diesen Anpassungsvorgang dürfte sein, ob man sich vom Partner in einer Selbstdefinition akzeptiert und bestärkt fühlt, die den eigenen Idealen nahekommt, und ob man dem Partner Bestätigungen in einer Selbstdefinition geben kann, durch die er sich verstanden und aufgewertet fühlt. Die Gefahr, dass sich ein neurotisches Arrangement im Sinne einer Kollusion bildet, ist deshalb so groß, weil neurotische Beziehungsstörungen mit Leiden verbunden sind und die hoffnungsvolle Erwartung besteht, wenigstens in der Beziehung zu
einem
Menschen voll akzeptiert, idealisiert und von bisherigen Beziehungsängsten erlöst zu werden. Diese Erwartungen gehören zu den stärksten Motivationen zur Bildung und Ausgestaltung einer Paarbeziehung.
Die Partnerwahl ist ein dyadischer Anpassungsprozess, bei dem ein Teil der Bedürfnisse, Ängste und Idealvorstellungen eine überhöhte Bedeutung gewinnt, während andere Persönlichkeitsbereiche die Partnerwahl wenig berühren. Die Anpassung und gegenseitige Faszination kann aber nur so weit gehen, wie sie sich auf latent vorhandene persönliche Möglichkeiten stützt. Ein mehr oder weniger großer Anteil des persönlichen Beziehungspotenzials wird in eine konkrete Ehebeziehung nicht eingehen und bleibt auf das Phantasieleben oder auf andere Beziehungen verwiesen, auf den Berufsbereich, den Freundeskreis, die weitere Familie, das Wirtshaus, den Klub usw. Die Gleichartigkeit der soziologischen Merkmale, wie sie sich in statistischen Paaruntersuchungen ergibt, mag zwar einen stabilisierenden Einfluss auf das Paar ausüben. Sie lässt aber die Herzen der Partner nicht «höherschlagen» und reicht kaum als Motivation zur «Liebesehe» aus. Diese Merkmale sind jedoch als konfliktfreie Bereiche wichtig. Die Kollusion bezieht sich auf den Bereich der Partnerwahl, der die stärkste emotionale Anziehung zwischen den Partnern bewirken kann und in der Verliebtheit eine zentrale Wirkung ausübt.
7.2. Ist jeder Paarkonflikt eine Kollusion?
Unter Kollusion verstehe ich das Zusammenspiel in einem neurotischen Paarkonflikt. Neurotisch meint, dass die Partner aufgrund innerer Fixierungen an unbewusste Konfliktsituationen der Kindheit nicht in der Lage sind, Differenzen zielgerichtet und sachbezogen miteinander zu bewältigen. Bei weitem nicht jeder Ehekonflikt ist in diesem Sinne eine Kollusion.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Paar plant die nächste Ferienreise. Die Frau wünscht, am Meer zu faulenzen, der Mann möchte ins Gebirge. Dem Mann ist es am Meer zu langweilig und heiß, der Frau in den Bergen zu anstrengend und düster. Es kann sich zwischen den Partnern eine heftige Auseinandersetzung entspinnen. Jeder kann seinen Wunsch mit guten Argumenten vertreten. So weit handelt es sich um eine ganz normale Meinungsverschiedenheit. Irrational wird dieser Streit nun aber, wenn uneingestandene, tiefere Motive die Hartnäckigkeit in der Durchsetzung des eigenen Wunsches bestimmen. So kann sich zum Beispiel ein Machtkampf entspinnen, bei dem es gar nicht mehr um die Sache des Ferienplanes geht, sondern nur um die Selbstbehauptung aus der irrationalen Angst, wenn man jetzt nachgebe, habe man für immer verloren. Die Angst kann so übergroß sein, weil beide schon als Kinder die Erfahrung gemacht haben, dass das Aushandeln von Meinungsverschiedenheiten nur nach dem Herrscher-Untertanen-Prinzip möglich sei. Oder es kann sein, dass die Frau denkt: «Er will nur nicht ans Meer, weil er sich im Grunde keine Zeit für mich nehmen will. In den Bergen geht er allein auf Klettertouren und lässt mich sitzen. Im Grunde möchte er mich wohl überhaupt nicht dabeihaben.» Die Diskussion um den Ferienort wird zum Testfall, ob der Partner einen noch wirklich liebt, ob er einen verwöhnen will oder einer engen Zweisamkeit entfliehen möchte. Für den Mann bedeutet aber das Klettern eventuell ein Versuch, seine Muttergebundenheit zu
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