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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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bewältigen, wie das in der psychoanalytischen Literatur beschrieben wird. Am Meer fürchtete er dagegen auf infantile Passivität zu regredieren. Der Streit um den Ferienplan mobilisiert also tiefere Konfliktbereitschaften in beiden Partnern und erreicht somit eine Intensität, die in keinem angemessenen Verhältnis zur Sache mehr steht.
    Bei manchen Ehekonflikten geht es zwar um tiefere persönliche Probleme zwischen den Partnern, die deswegen aber noch nicht neurotisch sein müssen.
Hier wären vor allem die phasentypischen Konflikte zu nennen (siehe Kapitel 3). Mit zunehmender Freiheit wird es für ein Paar auch schwieriger, in all den an sie herantretenden Lebensfragen die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Zunehmende Freiheit erfordert vermehrte Kompetenz und Eigenverantwortung, stellt also an die Reife eines Paares hohe Anforderungen. Sie bringt Unsicherheit, Meinungsdifferenzen und ein mühseliges – aber wertvolles – Suchen nach Lösungen mit sich. Es kommt zu Konflikten in der Auseinandersetzung über die Art des Zusammenlebens, ob als Ehe oder als nichtlegalisierte Gemeinschaft, ob mit Kindern oder ohne, ob in Wohngemeinschaft oder im Eigenheim, ob in steter Zweisamkeit oder relativ lockerer Bindung, ob in symmetrischer oder komplementärer Arbeits- und Funktionsteilung, ob unter Zulassung außerehelicher Beziehungen oder in absoluter Treue usw. Die Krise der Lebensmitte und das Alter bringen weitere Belastungen für die Ehe. Es gibt für diese Krisen nicht einfach Lösungen, sondern es geht darum, sich in einen Reifungsprozess einzulassen und oft langwierig nach einer Krisenbewältigung zu suchen.
    Jeder Mensch nimmt unbewältigte Konflikterfahrungen aus der Kindheit in sein späteres Leben mit. Diese werden in ähnlich gelagerten Beziehungskonflikten, in Stress-Situationen des Zusammenlebens und in Reifungskrisen des Erwachsenen aktualisiert und bestimmen die «Lösungen». Scharf lassen sich nichtneurotische Paarkonflikte nicht gegen neurotische Kollusionen abgrenzen. Wenn aber die Bewältigung von Ehekrisen durch irrationale Ängste und Abwehrmaßnahmen in einem erheblichen Ausmaß behindert ist, liegt eine neurotische Kollusion vor.
    Das Vorliegen einer Kollusion, also eines neurotischen Zusammenspiels, kann vermutet werden, wenn in einem Paarkonflikt beide Partner sich in inadäquater Weise in ein stereotypes Streitritual verwickeln, das einen hohen Anteil ihrer psychischen Energie absorbiert und über lange Dauer keinem der Partner eine Lösung des Konfliktes oder ein Entrinnen aus der Verstrickung erlaubt.
So kann der Ehestreit für Partner zum Lebensinhalt über Jahrzehnte werden. Sie bekriegen sich aufs Messer und machen sich das Leben zur Hölle. Unter dem Dauerstress kommt es zu psychosomatischen Krankheiten, die sogar tödlich verlaufen können. Für den Außenstehenden ist es unbegreiflich, wie sich ein Paar wegen kindischer Bagatellen so erregen kann und weshalb die Partner aus ihrem Zerwürfnis und der beiderseitigen Qual nicht die Konsequenzen ziehen und auseinandergehen. Die Partner verhalten sich oft wie
Wahnkranke
, sind keiner vernünftigen Diskussion zugänglich und sind unfähig, ihre Beziehung zum Partner in den richtigen Dimensionen zu sehen. Sie halten unbeirrbar an ihrer Fehlhaltung dem Partner gegenüber fest und wiederholen stereotyp die gleichen Anschuldigungen und Forderungen, obwohl sie sich doch eigentlich von deren Nutzlosigkeit längst hätten überzeugen können. Für alles aber, was ihre Beziehung nicht betrifft, sind sie offen, zugänglich, in ihren Affekten einfühlbar und in ihrem Verhalten angepasst. In der Therapie spielen sie zwar oft Scheidungsdrohungen aus. Sie brechen die Therapie aber meist in dem Moment ab, wo diese für die Beziehung Konsequenzen haben könnte.
    Zur Kollusion gehört wesentlich ein irrationales Überengagement beider Partner aus tieferen persönlichen Schwierigkeiten. Dieses irrationale Überengagement als Fehlhaltung kann allerdings gelegentlich schwer erkennbar sein, weil die abnorme Haltung eventuell von der Gesellschaft als besonders wertvoll idealisiert wird. So sehen wir insbesondere Individuen, die sich ihren Ehepartnern gegenüber wie Heilige oder Märtyrer ausnehmen, sich die gröbsten Beschimpfungen und Erniedrigungen mit Gleichmut gefallen lassen, sich in totalem Altruismus bis zur Erschöpfung für ihren Partner opfern und ein Vorbild völliger Bedürfnislosigkeit und Nächstenliebe zu sein scheinen. Solche

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