Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
zurück. „Altes
Weib, geh wieder an dein Spinnrad.“
Hin und her flogen die
Beleidigungen, und bevor die Menge es begriff, hatten die beiden ihre
Unterkleider hochgeschlagen und unter den Gürtel gestopft und legten los. Jetzt
wurden die Wetten rasch und hitzig abgeschlossen. Ich hörte Squire ausrufen:
„Nun, Silver, meine hundert Guineen für Betsy. Wollt Ihr Eure auf die alte Dime
setzen?“
„Abgemacht“, gab Mr. Argent
zurück.
Der erste Kampf war bedächtig
und kraftvoll gewesen, der zweite war rasch und quicklebendig, und Betsy und
Molly tauschten Beleidigungen zwischen jedem Schlag aus. Ich wimmerte, wenn die
Schläge trafen und wandte den Kopf ab. Der Gedanke, daß Mol-lys brutale Fäuste
Betsys wunderbaren Körper verunstalten könnten, war nicht zu ertragen. Aber ich
brauchte mir keine Sorgen zu machen. Betsy war nicht gekommen, um zu leiden.
Sie tänzelte und entschlüpfte,
wich aus und duckte sich so behende, daß Molly im Nachteil war. Einmal holte
die ältere Frau zu einem so gewaltigen Hieb gegen die jüngere aus, daß er Betsy
den Kopf von den Schultern gerissen hätte, wenn er sie getroffen hätte. Aber
der Schlag ging daneben, und sein Schwung riß Molly so heftig mit, daß er sie
ins Gras streckte, während Betsy um sie herumtanzte. „Altes Weib, du bist müde.
Geh schlafen.“
Die Menge murrte. Dies war
nicht nach ihrem Geschmack. Können und Behendigkeit waren gut und schön, aber
wo blieben Blut und das dumpfe Aufeinanderschlagen von Knochen und Fleisch? Als
drei weitere Runden so vergingen, und Molly nur langsamer wurde und schwerer
atmete, während sie Betsy an den Seilen entlangjagte, fingen die Pfiffe und
Buhrufe wieder an.
„Bleib stehn und kämpf“,
kreischte eine alte Jungfer. „Bleib stehn und kämpf!“
Der Schrei pflanzte sich fort,
und das Stoßen und Schaukeln fingen wieder an. Die Zuschauer drängten so dicht
heran, daß diejenigen, die dem Kampf am nächsten standen, gewaltsam gegen die
Seile gedrückt wurden und ihren Kameraden zuriefen, zurückzutreten und ihnen
genug Platz zu lassen.
Ich hörte einen Herrn dicht
neben mir leise zu seinem Freund sagen: „Wenn das alte Weibsbild nicht bald
einen Schlag landet, werden sie Krawall machen.“
Er hatte gleichzeitig recht und
unrecht. Betsy führte Molly in einem engen Kreis auf dem flachgetretenen
glitschigen Rasen herum. Plötzlich ließ sie die Fäuste sinken. Molly winkelte
den Arm an und ging weiter wie ein Sturmbock. Doch Betsy war nicht mehr dort,
sondern einen halben Meter weiter rechts. Als Molly vorbeizischte, hob sie die
Hand wie eine Rammaschine und verpaßte der älteren Frau einen kolossalen Hieb
unters Ohr.
In Totenstille fiel Molly wie
ein abgestochener Ochse und lag bewegungslos da, während Betsy über ihr stand.
Die Leute, die nur ein paar
Schritte entfernt gegen die Seile gedrückt standen, schrien entsetzt: „Sie hat
Molly Brindle umgebracht!“
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15 .
Den Letzten beißen die Hunde
„Molly ist tot!“ Die Nachricht,
wahr oder falsch, ging von Mund zu Mund, und die Masse der Bergleute, Frauen
und Kinder war in Bewegung geraten. Wer hinten stand, drängte nach vorn, um zu
sehen, was los war. Wer in der Mitte stand, drängte ebenfalls nach vorn, um von
denen, die von hinten drängten, fortzukommen. Und wer in der ersten Reihe
stand, wurde nach vorn geworfen wie eine Welle bei Hochflut an den Strand.
Tausende taumelten in einer gewaltigen Woge über den Rasen.
„Molly ist tot.“
Sie war nicht tot. Sie setzte
sich auf und rieb sich den Kiefer. Dann sah sie die gewaltige Menschenmenge
durch die Seile brechen und rappelte sich auf. Während Betsy sie am Arm mitzog,
rannte sie los, um sich in Sicherheit zu bringen, gerade als der von den Seilen
begrenzte Platz sich mit rennenden, stolpernden und fallenden Menschen füllte.
In all dem Gedränge konnte niemand sehen, daß sie lebte. Bei all dem Geschrei,
daß sie tot wäre, konnte niemand die Stimmen derjenigen hören, die riefen, daß
sie es nicht war. Der Grünbejackte, der seine Pflicht der Öffentlichkeit
gegenüber getan hatte, gab Fersengeld, stieß Damen und Herren nach links und
nach rechts und floh in Richtung auf die „Drei Federn“. Ned Barker erschien
plötzlich vor uns, während die Damen und Herren miteinander diskutierten und
rief: „Kümmert Euch nicht um die Wetten, rennt um Euer Leben!“ Dann drehte er
sich um, hakte seine Kameraden unter und versuchte, die Menge zurückzuhalten.
Doch das
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