Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Stockwerk nach dem anderen, aber in keiner der Flurtüren zeigte sich jemand.
„ Also, ich habe jetzt genug, wenn du noch bleiben willst.“ Wolf drehte sich um und nahm wieder einige Stufen nach unten, ehe er sich zu ihr umdrehte. „Was willst du denn überhaupt sagen?“
Anke zuckte die Schultern. Horchte noch einen Moment an der Tür, ehe sie ihm doch folgte.
„Weiß ich noch nicht. Mein Gott, was hast du denn bloß?“
„ Ich bin nun mal kein Journalist, und diese Art des Herumschnüffelns ist mir zuwider.“
„ Alles Gewohnheit.“
Sie standen gerade im zweiten Stockwerk, als sich hinter ihnen die Flurtür öffnete. Ein Mann um die sechzig im Jogginganzug sah sie fragend an.
„Haben Sie bei mir geklingelt?“ Er sprach langsam und im rheinischen Dialekt.
Seinen Händen nach zu urteilen musste er viel handwerkeln, registrierte Anke mit Kennerblick. Verflixt, sie hatte sich den Namen am Türschild nicht gemerkt.
„Wenn Sie die Klingel unter Rosenhain haben?“, meinte sie kokett lächelnd und fuhr sich durch ihre wilden roten Locken.
Wolf schloss für einen Moment die Augen. Was für ein Job. Der Mann nickte und sah Anke dabei wohlwollend an. Blitzschnell leckte sie sich die Lippen.
„Wir suchen eigentlich Frau Irmgard Maron. Aber sie ist nicht mehr aufgeführt. Wohnt sie nicht mehr hier?“
„ Die Maron?“, wiederholte der Mann gedehnt, „die iss doch nach dem Prozess hier ausgezogen.“
Anke brauchte sich gar nicht bemühen, ein bestürztes Gesicht aufzusetzen, es zeigte sich von selbst. Wolf fuhr sich mit der Hand über den Mund. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
„Prozess, was für ein Prozess?“, erkundigte sich Anke und überlegte, wie sie am besten in die Wohnung kamen. „Können Sie uns eventuell etwas darüber erzählen, wir waren so lange im Ausland. Frau Maron ist nämlich eine Freundin meiner Mutter, ich soll sie grüßen und ....?“ Bei den Worten sah sie den Mann flehentlich an. Er nickte etwas verstört. Schließlich wich er etwas zur Seite. Anke winkte hinter ihrem Rücken Wolf auffordernd zu, ihr zu folgen.
„ Das ist schon viele Jahre her“, erklärte der Mann und schlürfte voran ins Wohnzimmer. Das Zimmer war klein, wie in diesen typischen Wohnblocks üblich und mit zu vielen Möbeln bestückt. Der Mann deutete ihnen, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Er selbst blieb unschlüssig stehen, als sei er mit diesem überfallsartigen Besuch am Sonntagmittag überfordert. Anke half ihm darüber hinweg.
„ Was, was hatte Frau Maron denn verbrochen?“
Anke erntete einen Blick, als hätte der Bewohner ihre Frage nicht verstanden.
„Verbrochen?“, begehrte er auf. „Recht hat sie´s gemacht. Sie haben über uns gewohnt, sie und der Herr Haffner, da wo jetzt die Rosenhains wohnen. Die Wohnung hat lange leer gestanden. Keiner wollte da damals einziehen, nachdem sie dem Suffkopp eines drüber gezogen hat.“
Anke wechselte mit Wolf einen kurzen Blick. Er saß regungslos auf dem Sofa und betrachtete den Mann, als wolle er ihn in eine seiner Psychoschubladen sortieren. „Was meinen Sie mit ’eins drübergezogen’?“
„Erschlagen hat sie den. Mit irgendetwas. Was weiß ich. Wie heißen die Dinger, Skulptur. Vorher haben die beiden sich mächtig gestritten, angebrüllt, dass die Wände wackelten. Auch der Name Eva ist öfters gefallen. Das war ihre Tochter, müssen Sie wissen. Früher hat die auch mal hier gewohnt. Und Sauhund hat se geschrien, und ja, das ist mir direkt peinlich, ’Hurensohn’ und noch so ein paar derbe Ausdrücke. So dick ist die Decke ja nicht, da konnten wir schon das ein oder andere Wort hören“, meinte er entschuldigend.
„ Wissen Sie noch, wann war das?“, bohrte Anke.
„ Moment, da muss ich überlegen, ist länger als zehn Jahre her, vierzehn, 1986 war das, im Juni. Meine Frau wär damals am liebsten ausgezogen. Wir wohnen jetzt schon fast vierzig Jahre hier. Am Anfang war es ein komisches Gefühl, in einem Haus zu wohnen, in dem ein Mord geschehen ist.“
Anke nickte mitfühlend. „Wie viel hat sie dafür bekommen, wissen Sie das auch noch?“
„Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, ein Jahr vielleicht? Sie war ja keine hinterhältige Mörderin.“
„ Und wann ist Eva ausgezogen?“
„ Lange vorher, die war noch sehr jung, hat sich wohl nicht so mit denen verstanden, vielleicht 1982, also so genau weiß ich das nicht mehr.“
Anke notierte sich auch diese Jahreszahl im Kopf.
„Wo waren Sie denn so lange im
Weitere Kostenlose Bücher