Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
schon besser.“
Sie lief schnell aus dem Zimmer.
Die Bezeichnung Cafeteria war weit übertrieben. Es handelte sich um einen kahlen Raum, bestückt mit ein paar braunen Holztischen und Stühlen. An der Wand befand sich ein Kaffee- und Kuchenautomat. Eva zog sich einen Kaffee und wählte den Tisch in der Ecke. Sie liebte Ecken, da war sie von zwei Seiten geschützt. An den Nachbartischen saßen zwei weitere Personen mit ihrem Besuch.
Versonnen rührte Eva Zuckerstückchen in den pechschwarzen Kaffee und fühlte von außen an ihrer Rocktasche nach dem Fläschchen. Sie würde spüren, wann der entscheidende Moment gekommen war. Es zu haben, verlieh ihr ein sicheres Gefühl. Die Tropfen würden sie retten. September, dachte sie übergangslos. Im September letzten Jahres hatte sie Ronald geheiratet und nicht mal ihren ersten Hochzeitstag feiern können. Der Kaffee schmeckte trotz der Süße bitter. Sie blickte zu den beiden Fenstern, auch hier Gitterstäbe, aber wenigstens durch stark gewirkte Gardinen verdeckt. Ihre Gedanken wanderten zum Tag ihrer Heirat, schweiften ab zum tragischen Sonntag auf der Terrasse, verweilten auch hier nicht, flogen weiter bis zu dem Tag, als sie sich Ronald das erste Mal genähert hatte. Und hier blieben sie hängen.
Es war der erste Mittwoch im Juni vor zwei Jahren gewesen. Ein regnerischer Tag, was gut war, so konnte sie glaubwürdig ausrutschen. Vorher hatte sie gründlich überlegt, wie lange sie nach Elkes Tod warten sollte, bis sie einen ersten Vorstoß wagen konnte. Eva hielt ein gutes halbes Jahr für angebracht. An diesem Mittwoch im Juni wartete sie abends in Nähe des Friedhofs. Sie beobachtete aus sicherer Entfernung, wie er eine geraume Weile mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen vor ihrem mit Blumen übersäten Grab stand. Eva war nahe daran, zu gehen und ihn lieber an einem anderen Ort abzufangen. Aber in dem Moment bewegte er sich auf den Ausgang zu. Seine große, schlanke Gestalt in dem hellen Trenchcoat ging betont aufrecht. Eva eilte zurück, vorbei an seinem Auto und bog um die Ecke. Hier wartete sie, verdeckt von der hohen Friedhofsmauer. Als sie seine Schritte vernahm und ihn am Auto glaubte, wirbelte sie um die Ecke und knickte auf Höhe der Motorhaube um. Mit einem spitzen Aufschrei ließ sie sich mit ihrem Po zuerst auf den nassen Boden fallen.
„ Oh je“, vernahm sie seine erschrockene Stimme, „haben Sie sich verletzt?“
Ronald war sofort bei ihr. Erleichtert stellte sie in seinem Gesicht fest, dass es kein Zeichen des Erkennens widerspiegelte. Schließlich lagen viele Jahre dazwischen und Gottlob besaßen nicht alle Menschen ein so gutes Personengedächtnis wie sie. Ronald half ihr hoch, hielt sie fest, während er mit der anderen Hand die Beifahrertür aufschloss. Besorgt bot er ihr den Beifahrersitz seines Mercedes’ an. Stöhnend ließ sich Eva darauf nieder. Er hockte vor ihr in der geöffneten Tür und rieb ihren Knöchel. Sie drückte sogar ein paar Tränen ab, obwohl sie innerlich kichern musste. Ihr Plan hatte funktioniert, einfach klappen müssen, denn schließlich hatte sie seine ärztliche Gesinnung einkalkuliert. Alles Weitere war für sie ein Kinderspiel. Sie wollte die Frau eines Arztes werden. Die Frau dieses einen bestimmten Arztes.
Ronald brachte sie nach Hause, empfahl ihr Eiswickel und verabschiedete sich höflich. Eva lächelte ihn etwas gequält, aber voller Dankbarkeit an.
„ Sie haben mir sehr geholfen, und ich möchte mich gerne erkenntlich zu zeigen.“
„ Oh, ich bitte Sie, meine Hilfe war doch selbstverständlich.“
Sie strahlte ihn an, als wären die Schmerzen wie weggeflogen und gab nicht auf.
„Ich kenne eine nette kleine Pizzeria. Wären Sie mit morgen Abend einverstanden?“
Diese feine Redensart hatte sie vorher geübt und versucht, sich der derben Sprache zu entwöhnen.
Ronald zögerte einen Moment.
Sag schon ja , hämmerte es in ihrem Kopf, sag ja.
Unvermittelt lachte er sie mit seinen warmen braunen Augen an. Neigte den Kopf leicht zur Seite, wobei ihm eine Locke seines dunklen vollen Haares in die Stirn fiel, die er mit einer Hand zurück an ihren Platz schob.
„Warum sollte ich das Angebot einer so reizenden Dame zurückweisen? Ich hole Sie um acht Uhr ab.“
Eva nickte froh, nannte ihm einen Treffpunkt und verabschiedete sich.
„Aber knicken Sie nicht wieder um“, scherzte er, bevor er in den Wagen stieg.
Ab diesem gemeinsamen Abend sahen sie sich fast täglich. Wie sie richtig
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