Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
vermutet hatte, sagte auch ihr Name Ronald nichts mehr. Er schien sie völlig aus seinem Bewusstsein gedrängt zu haben, als hätte sie nie existiert. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich in der Brust.
Sie wusste, dass er seit Verenas Tod enthaltsam gelebt hatte. Um ihn völlig an sich zu binden, benutzte sie ihren Körper so gezielt, dass Ronald ihr schon bald verfallen war. Sie dehnte die Abstände zwischen ihren Liebesspielen gerade so lange hinaus, bis er es kaum noch aushielt. Sie tat dies nicht allein aus purer Raffinesse, sondern weil die Umarmungen für sie mit unendlicher Überwindung einhergingen, mit Übelkeitsattacken, Vogelgezwitscher und Davonfliegen. Dann war sie nicht mehr in ihrem Körper, sondern sah von oben zu, wie eine andere sein heißes Verlangen stillte. Aber für ihr Ziel war sie bereit, alle damit verbundenen Widerwärtigkeiten auf die ihr mögliche Weise zu ertragen.
Anfangs versuchte er, auch mit ihr über Elke zu reden. Doch sie blockte seine Emotionen stets ab.
„ Lass sie ruhen“, bekräftigte sie, „und wende dich dem Leben zu. Wir beginnen neu, und wenn du willst, auch mit Kindern.“
Aber daran dachte sie nicht einmal im Traum. Das würde sie später regeln, wenn sie ihn erst einmal hatte. Und damit auch seine Großzügigkeit, seinen Status, seinen Luxus und somit endlich ihr Leben. Ronald war ein Genussmensch. Er liebte gutes Essen in exquisiten Restaurants, guten Wein, ein stilvolles Ambiente, ein herrschaftliches Haus. All diesen Luxus hatte Elke lange genug genossen. Jetzt war sie dran und das zu recht.
Nach kaum drei Monaten folgte der erwartete Heiratsantrag. Die abweisenden Gesichter seiner Eltern, als er sie vorstellte und sie über das bevorstehende Ereignis informierte, würde sie ihr Lebtag nicht vergessen. Aber Gottlob war Ronald eigensinnig und stur. Was er sich vorgenommen hatte, setzte er auch gegen den Willen anderer durch. Nach langem Hin und Her und endlosen Diskussionen mit Ronald erschienen seine Eltern dann doch am Tag der Vermählung zusammen mit den wenigen anderen auserwählten Gästen. Wenn auch erst zum Abendessen. Ronalds Eltern verhielten sich ihr gegenüber kühl. Den Tag ihrer Heirat jedoch meisterte Eva mit Bravour. Charmant und freundlich legte Eva es regelrecht darauf an, den erhabenen, mittlerweile weinseligen Dr. Seitz senior in eine Plauderei zu verwickeln, misstrauisch beobachtet von Anneliese Seitz. Für Eva war es ein Triumph.
Die erste Zeit nach der Heirat erfreute sich Eva ihres Status' in der oberen Gesellschaft, gleichwohl ihr gemeinschaftliches Leben schon recht bald in unruhiges Fahrwasser geriet. Nur widerwillig gewährte Eva ihrem Mann sein Recht auf ehelichen Verkehr. Erfand ständig neue Ausreden, um davor herzukommen und warum auch der Zeitpunkt einer Schwangerschaft momentan noch ungeeignet sei.
Das polternde Stühlerücken der aufstehenden Gäste am Nachbartisch ließ Eva zusammenfahren. Sie rührte mechanisch den Plastiklöffel in ihrem mittlerweile kalten Kaffee. Versonnen starrte sie auf die kreisende Bewegung ihrer Hand. Sie hatte für die Zeit ihrer gedanklichen Reise vergessen, wo sie sich befand. Noch irritiert blickte sie den Gästen nach, die im Gänsemarsch die Cafeteria verließen. Eva kehrte zu dem besagten Tag, dem Sonntag zurück. Auch an diesem Tag war es um seine erste Frau, um Beischlaf und Baby gegangen:
Am Mittagstisch hatten sie sich darüber gestritten. Ronald hatte mehrmals ungehalten mit dem Suppenlöffel auf den Tisch geklopft.
„Ich versteh es einfach nicht“, hatte er sich entrüstet. „Kein einziges Mal während unserer gesamten Ehe hast du mit mir über Elke gesprochen. Wieso nicht? Hältst du das nicht aus? Elke kann dir doch nichts mehr anhaben, sie ist tot.“ Nachdem sie nichts antwortet, hatte er zynisch hinzugefügt. „Und ich bin ganz dein.“
Wenn du wüsstest, hatte sie gedacht. Auch noch tot kann sie mir etwas anhaben. Finster hatte sich Ronald bald in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, kam erst wieder daraus hervor, als sie gerade in der Küche den Nachmittagstee zubereitete, den sie anschließend gemeinsam auf der Terrasse eingenommen hatten.
„Ich gehe auf die vierzig zu und würde gerne Vater werden, bevor ich das Greisenalter erreicht habe“, hatte er weiter gemault.
Extra lange nippte sie an ihrem Tee genippt, hatte gespürt, wie er sie beobachtete.
„Ich habe einen neuen Film, hast du Lust? Er liegt schon startbereit im Player. Er lächelte sie
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