Die zweite Frau des Arztes (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Grauens. Meistens vor laufendem Fernseher. Er benutzte nun neben seinem Fotoapparat auch eine Videokamera. Erst fotografierte er, dann filmte er. Neuerdings trank er auch dabei. Je mehr er trank, um so fürchterlicher wurde es für mich. Wenn alles vorbei war, legte er sich hin, presste mich in seine Arme an seine widerliche nackte stinkende Brust, wobei sein Schweiß mir den Atem nahm und schlief ein. Er schnarchte wie ein Bär. Anfangs blieb ich wie gelähmt neben ihm und wagte nicht, mich zu rühren. Ich war nackt und fror. Später dann rannte ich, kaum dass er eingeschlafen war, auf mein Zimmer und kroch in mein Bett. Manchmal musste ich mich vorher übergeben. Bis oben in mein Zimmer hörte ich sein Schnarchen und hielt mir die Ohren zu. Wenn ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich oft nicht, ob alles überhaupt wirklich passiert war oder ich das nur geträumt hatte. Doch spätestens, wenn ich vollkommen wach war, meldete sich mein Körper mit Schmerzen. Sofort sendete mein Unterbewusstes seine gespeicherten Bilder von Qual und Marter in mein Bewusstsein, die ich dann mit einem schlechten Gefühl im Magen als Fantasie abtat. An manchen Tagen war ich gar nicht gegenwärtig, als würde ich mich zusammen mit dem Tag auf Eis legen und einfrieren. Nichts spüren, keine Hände, die nach mir griffen. Immer häufiger schwänzte ich die Schule. Das brachte mir eine Menge Ärger mit meiner Mutter ein. Sie wurde mehrmals zum Direktor zitiert. Ihre Hilflosigkeit ließ sie dann hinterher an mir aus. Das Schlimmste war, dass es niemanden gab, mit dem ich über alles reden konnte. Wie hatte ich mich als Kind danach gesehnt, nach einem Menschen, der mir Sicherheit und Stabilität gab. Ich empfand es als Fluch, ein Mädchen zu sein. Manchmal, wenn ich alleine war, habe ich einen Spiegel genommen und mir zwischen die Beine gehalten, um mein Geschlecht zu sehen. Die Vertiefung zwischen meinen Beinen, nach der Claudius so süchtig war, erschien mir geheimnisvoll abstoßend. Dr. Heinzgen, missbraucht zu werden ist ein Anschlag auf dein Leben. Aber das Ganze hat noch eine andere Dimension, vor allem bei sexuellen Übergriffen in der Familie, auch wenn es nicht der leibliche Vater ist, aber als solcher angesehen werden soll. Es wird ein Heiligtum angetastet, etwas, was jeder Mensch am meisten liebt. Über mein Leben liegt ein schwarzer Schatten, der nie ganz und gar verschwinden wird.
Als ich sechzehn war, befreite ich mich endlich von ihm. Mit dem Abschluss der Hauptschule zog ich von zu Hause aus und mietete mir weitab in Bonn ein kleines Zimmer. Mutter hatte mich zwar gedrängt, zu bleiben und erst eine Ausbildung zu machen. Aber ich fand mit meinem schlechten Zeugnis keine Lehrstelle, nicht mal als Friseuse. So fing ich an, in einem Café in der City zu kellnern. Schon bald bemerkte ich, wie die Männerblicke an mir hafteten, wenn ich an ihren Tischen vorbei rauschte, grazil das Tablett mit Kaffee und Kuchen auf einer Handfläche balancierte. Bis dahin hatte ich mich völlig vom anderen Geschlecht ferngehalten. Im Café befreundete ich mich mit meiner Kollegin Inge. Sie war schon einundzwanzig. Inge nahm mich mit auf die Pirsch, wie sie es nannte. Zeigte mir, wie ich mich dafür zu schminken und zu kleiden hatte. Ich zog die Männer an wie das Licht die Motten. Inge wurde in meiner Gegenwart von ihnen übersehen. Unsere kurze Freundschaft zerbrach an ihrer Eifersucht. Ich wechselte das Café und war wieder alleine.
Dass Claudius schon des öfteren vor meiner Tür gelauert hatte, erfuhr ich, als er endlich den Mut aufbrachte, zu klingeln. Dass er es war, erkannte ich an seinen Schritten. So setzte mein Herz schon aus, als er die Stufen herauf kam. Mein erster Impuls war, mich in der Wohnung zu verbarrikadieren. Aber das hatte keinen Sinn, denn er würde wiederkommen. Also wartete ich. Als er vor mir stand, kratzten Ekel und Angst in mir. Doch mittlerweile war ich kein Kind mehr. Und das sollte er auch mit eigenen Augen sehen. Männern gegenüber war ich frecher und raffinierter geworden.
„Verpiss dich!“, herrschte ich ihn an und wollte ihm die Tür vor der Nase zu knallen. Doch ehe ich mich versah, hatte er seinen Fuß dazwischen geklemmt. Eva, Engelchen, Superweib, du kannst viel Geld verdienen , versuchte er mich durch den Türspalt zu überzeugen, brauchst nicht mehr in diesem miesen Job zu arbeiten, wenn ...
Wenn, wenn ..., fiel ich ihm ins Wort, wenn ich mich weiter von dir ficken lasse und du meinen Körper
Weitere Kostenlose Bücher