Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
begleitete Marty sie auf die Veranda. Windböen fuhren durch die Abschirmung und brachten die Verandatür am Ende der Stufen zum Klappern.
    »Es gibt einen anderen Weg«, sagte er und beugte sich dicht zu ihr, damit er sich über den Sturm hinweg verständlich machen konnte, ohne zu brüllen. »Wenn er wirklich von mir angezogen wird, sollte ich mich vielleicht beeilen und hier verschwinden, damit ich ihn so weit wie möglich von euch weg locken kann.«
    »Vergiß es.«
    »Aber wenn ich mir um dich und die Mädchen keine Sorgen machen muß, werde ich vielleicht mit ihm fertig.«
    »Und wenn er statt dessen dich tötet?«
    »Dann müßten wir wenigstens nicht alle dran glauben.«
    »Glaubst du, er würde sich nicht wieder auf die Suche nach uns machen? Vergiß nicht, er will dein Leben. Dein Leben, deine Frau, deine Kinder.«
    »Wenn er mich erledigen und euch verfolgen würde, hättest du immer noch deine Chance, ihn über den Haufen zu schießen.«
    »Ach ja? Und wenn er auftauchen würde, wie sollte ich in der kurzen Zeit, die mir bleibt, bevor er in meine Nähe kommt, herausfinden können, ob du es bist oder er?«
    »Könntest du nicht«, gab er zu.
    »Also machen wir es auf meine Weise.«
    »Du bist so verdammt stark«, sagte er.
    Er konnte nicht wissen, daß ihre Knie weich wie Butter waren, ihr Herz heftig schlug und sie den schwachen metallischen Geschmack nackter Angst im Mund hatte.
    Sie umarmten einander nur kurz.
    Sie nahm die Mossberg, ging zur Verandatür hinaus, die Stufen hinunter, durch den Hof, am BMW vorbei in den Wald und drehte sich nicht noch einmal um, weil sie fürchtete, er könnte das wahre Ausmaß ihrer Angst erkennen und darauf bestehen, daß sie in die Blockhütte zurückkam.
    Unter dem Zeltdach der schützenden Zweige der Nadelbäume hörte sich der Wind hohl und fern an, ausgenommen als sie unter einigen rauchfangähnlichen Öffnungen herging, die sich bis hinauf zum blinden Himmel erstreckten. Windböen heulten diese Schächte hinab, kalt wie Ektoplasma und schrill wie der Gesang von Klageweibern.
    Zwar handelte es sich um ein Hanggrundstück, aber der Boden unter den Bäumen ließ sich mühelos begehen. Da kein direktes Sonnenlicht einfiel, wuchs kaum Unterholz. Viele Bäume waren so alt, daß sich die untersten Äste erst über ihrem Kopf befanden, und zwischen den dicken Stämmen hatte man ungehinderten Ausblick bis zur Landstraße.
    Der Boden war steinig. Hier und da brachen Granitformationen durch die Krume, ausnahmslos alt und glatt.
    Die Formation, die sie Marty gezeigt hatte, lag auf halbem Weg zwischen der Hütte und der Landstraße, und hangaufwärts nur sechs Meter vom Weg entfernt. Sie erinnerte an einen Halbkreis aus Zähnen, stumpfe Backenzähne, sechzig bis neunzig Zentimeter hoch, wie das versteinerte Gebiß eines sanftmütigen pflanzenfressenden Dinosauriers, der größer war als alles, was man bisher vermutet hatte.
    Als sie sich der Granitformation näherte, in der Schatten so schwarz wie eingedickter Kiefernteer hinter den »Backenzähnen« warteten, hatte Paige plötzlich das Gefühl, als wäre der Andere schon da und beobachtete die Blockhütte von diesem Versteck aus. Drei Meter von ihrem Ziel entfernt blieb sie stehen, wobei sie leicht auf dem Teppich abgefallener Kiefernnadeln ins Rutschen kam.
    Wenn er wirklich da gewesen wäre, hätte er sie kommen sehen und jederzeit töten können. Die Tatsache, daß sie noch am Leben war, sprach gegen seine Anwesenheit. Dennoch war ihr, als sie weiterzugehen versuchte, als wäre sie in einen tiefen Meeresgraben gefallen, wo sie sich gegen den Widerstand des ganzen Meeres vorwärts bewegen mußte.
    Mit klopfendem Herzen ging sie um die Sichelformation herum und schlüpfte von hinten in das schattige Halbrund. Der Doppelgänger wartete nicht auf sie.
    Sie legte sich auf den Bauch. Sie wußte, in ihrer dunkelblauen Skijacke und mit über das blonde Haar gezogener Kapuze war sie so gut wie unsichtbar zwischen den Schatten und dunklen Steinen.
    Durch Lücken zwischen den Steinen konnte sie die Einfahrt in ihrer gesamten Länge überblicken, ohne den Kopf so hoch heben zu müssen, daß sie selbst gesehen werden konnte.
    Jenseits der schützenden Bäume steigerte der Sturm sich rasch zu einem ausgewachsenen Blizzard. Der Schnee fiel zwischen den Bäumen hindurch so dicht auf die Einfahrt, daß sie fast den Eindruck hatte, als würde sie ins schäumende Antlitz eines Wasserfalls schauen.
    Die Skijacke hielt ihren Oberkörper warm,

Weitere Kostenlose Bücher