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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Die gefälschten Kreditkarten, von denen er immer noch zwei besitzt, kann er nicht mehr benützen, denn dann wird man ihn mit Sicherheit anhand seiner Einkäufe verfolgen können. Von jetzt an muß er bar zahlen.
    Er bringt die drei großen Tüten mit Vorräten zu dem Honda nach draußen und kommt wieder mit der Heckler & Koch P7 in den Laden zurück. Er schießt die Kassiererin in den Kopf und macht die Kasse leer, aber alles, was er rausholt, ist sein eigenes Geld plus weitere fünfzig Dollar. Besser als gar nichts.
    An einer Arco-Tankstelle tankt er den Honda voll und kauft eine Karte der Vereinigten Staaten.
    Am Rand des Arco-Parkplatzes ißt er Slim Jims im Licht einer Natriumdampflampe, deren Schein allem eine widerliche gelbe Farbe verleiht. Er ist heißhungrig.
    Als er von Würstchen zu Krapfen wechselt, studiert er die Karte: Er könnte auf der Interstate 70 weiter nach Westen fahren – oder statt dessen auf den Kansas Turnpike nach Südwesten bis Wichita, weiter bis Oklahoma City und dann auf der Interstate 40 direkt nach Westen.
    Er ist es nicht gewohnt, Alternativen zu haben. Normalerweise tut er, wozu er … programmiert wurde. Nun, wo er eine Entscheidung treffen muß, stellt er fest, daß das ausgesprochen schwierig ist. Er sitzt unentschlossen da, wird zunehmend nervöser und läuft Gefahr, von seiner Unentschlossenheit gelähmt zu werden.
    Schließlich steigt er aus dem Honda aus, steht in der kühlen Nachtluft und sucht Hilfe.
    Der Wind bringt die Telefonleitungen über ihm zum Vibrieren – ein quälender Laut, dünn und wehmütig wie das Weinen toter Kinder, die in einem dunklen Jenseits herumwandern.
    Er wendet sich so unausweichlich nach Westen wie eine Kompaßnadel den magnetischen Nordpol sucht. Die Anziehung hat etwas Übersinnliches, als wäre eine Präsenz da draußen auf, die ihn ruft, aber die Verbindung ist längst nicht so komplex, mehr biologischer Natur, sie hallt in seinem Blut und seinem Mark wider.
    Als er wieder am Steuer des Autos sitzt, findet er den Kansas Turnpike und fährt Richtung Wichita. Er ist immer noch nicht müde. Falls erforderlich, kann er drei Nächte ohne Schlaf auskommen, ohne geistig oder körperlich beeinträchtigt zu sein, was eine seiner speziellen Fähigkeiten ist. Der Gedanke, jemand zu sein, erregt ihn so sehr, daß er möglicherweise nonstop fährt, bis er sein Ziel gefunden hat.

13
    Da Paige wußte, daß Marty halbwegs damit rechnete, wieder von einem Blackout befallen zu werden, dieses Mal in der Öffentlichkeit, bewunderte sie seine Fähigkeit, eine unbekümmerte Fassade zu wahren, um so mehr. Er schien so heiter und unbeschwert wie die Kinder zu sein. Vom Standpunkt der Mädchen war der Sonntag ein perfekter Tag.
    Am späten Vormittag fuhren Paige und Marty mit ihnen zum Ritz-Carlton Hotel in Dana Point zum traditionellen Brunch am Thanksgiving-Wochenende. Sie fuhren nur zu besonderen Anlässen dorthin.
    Emily und Charlotte waren wie immer bezaubert von dem großzügig angelegten Gelände, den wunderschönen öffentlichen Räumen, dem makellosen Personal in seinen gestärkten Uniformen. Sie trugen ihre besten Kleider und Schleifen im Haar und hatten ihren Spaß daran, vornehme Damen zu spielen – fast soviel Spaß wie beim zweimaligen Plündern des Dessertbuffets.
    Am Nachmittag war es ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, daher zogen sie sich um und besuchten den Irvine Park. Sie schlenderten auf den malerischen Wegen dahin, fütterten die Enten im Teich und besuchten den kleinen Zoo.
    Charlotte liebte den Zoo, weil die Tiere, wie ihre Menagerie zu Hause, in Behausungen gehalten wurden, wo ihnen nichts zustoßen konnte. Es waren keine exotischen Exemplare dabei – sämtliche Tiere waren in der Region beheimatet –, aber in ihrem typischen Überschwang hielt Charlotte jedes für das interessanteste und niedlichste Geschöpf, das sie je gesehen hatte.
    Emily ließ sich auf ein Blickgefecht mit dem Wolf ein. Das Raubtier mit seinen großen, bernsteinfarbenen Augen und dem dichten silbergrauen Pelz sah dem Mädchen von seiner Seite des Käfigs direkt und stechend in die Augen und wandte den Blick nicht mehr ab.
    »Wenn man zuerst wegsieht«, informierte Emily die anderen ruhig und ernst, »dann verschlingt einen ein Wolf mit Haut und Haaren.« Die Konfrontation dauerte so lange, daß Paige trotz des Zauns mulmig wurde. Dann senkte der Wolf den Kopf, schnupperte am Boden, gähnte ausgiebig, um zu zeigen, daß er nicht eingeschüchtert worden war,

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