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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sondern lediglich das Interesse verloren hatte, und schlurfte davon.
    »Er konnte mit seinem ganzen Schnaufen und Pusten die drei kleinen Schweinchen nicht erwischen«, sagte Emily, »daher wußte ich, daß er mich schon gar nicht erwischen konnte, weil ich klüger als Schweine bin.«
    Sie meinte den Zeichentrickfilm von Disney, die einzige Version des Märchens, die sie kannte.
    Paige beschloß, ihr niemals die Version der Gebrüder Grimm zu lesen zu geben, die von sieben Geißlein statt drei kleinen Schweinchen handelte. Der Wolf verschlang sechs von ihnen ganz. Sie wurden im letzten Augenblick davor gerettet, verdaut zu werden, als die Mutter den Bauch des Wolfs aufschnitt und sie aus den dampfenden Eingeweiden herausholte. Paige drehte sich zu dem Wolf um, als sie weitergingen. Er sah Emily wieder nach.

14
    Sonntag ist ein emsiger Tag für den Killer.
    In Wichita verläßt er den Turnpike kurz vor der Dämmerung. In einer anderen Wohngegend, die sich kaum von der in Topeka unterscheidet, tauscht er die Nummernschilder des Honda gegen die eines Chevy aus, wodurch sein gestohlenes Fahrzeug noch schwerer aufzuspüren sein wird.
    Am Sonntag morgen kurz nach neun trifft er in Oklahoma City in Oklahoma ein, wo er gerade lange genug Rast macht, um wieder vollzutanken.
    Auf der anderen Straßenseite, gegenüber der Tankstelle, liegt ein Einkaufszentrum. In einer Ecke des riesigen, verlassenen Parkplatzes steht eine Sammelbox von Goodwill Industries, so groß wie ein Gartenhaus.
    Als er vollgetankt hat, läßt er seine Koffer samt Inhalt bei Goodwill. Er behält nur die Kleidungsstücke, die er trägt, und die Pistole.
    Im Verlauf der Nacht, auf dem Highway, hatte er Gelegenheit, über seine seltsame Existenz nachzudenken – und sich zu fragen, ob er möglicherweise einen Miniatursender bei sich trägt, der es seinen Vorgesetzten ermöglichen könnte, ihn aufzuspüren. Vielleicht hatten sie ja damit gerechnet, daß er eines Tages abtrünnig werden würde.
    Er weiß, man kann einen einigermaßen weitreichenden Sender, der von einer winzigen Batterie gespeist wird, auf äußerst kleinem Raum verstecken. Zum Beispiel in der Schale eines Koffers.
    Als er auf der Interstate 40 direkt nach Westen fährt, schiebt sich eine pechschwarze Wolke vor die Sonne. Vierzig Minuten später fängt es an zu regnen; der Regen hat die Farbe von geschmolzenem Silber und wäscht sofort sämtliche Farben aus dem weiten, verlassenen Land rechts und links des Highway. Die Welt besteht aus zwanzig, vierzig, hundert Grautönen, und nicht einmal Blitze unterbrechen die deprimierende Trostlosigkeit.
    Die monochrome Landschaft bietet keine Abwechslung, daher hat er Zeit, über die künftigen anonymen Jäger nachzudenken, die ihm dicht auf den Fersen sein könnten. Ist es paranoid zu denken, ein Sender könnte in seine Kleidung eingewoben sein? Er bezweifelt, daß man einen im Material seiner Hosen, des Hemds, Pullovers, der Unterwäsche oder der Socken verstecken könnte, ohne daß er ihn schon bei einer oberflächlichen Untersuchung anhand des Gewichts entdecken würde. Damit bleiben seine Schuhe und die Lederjacke.
    Die Pistole schließt er aus. Sie würden nichts in eine P7 einbauen, das deren Funktion beeinträchtigen könnte. Außerdem hätte er sie kurz nach den Hinrichtungen, für die sie zur Verfügung gestellt worden war, wegwerfen sollen.
    Auf halbem Weg zwischen Oklahoma und Amarillo, östlich der texanischen Grenze, fährt er von der Interstate auf einen Rastplatz, wo zehn Autos, zwei Schwerlaster und zwei Wohnmobile Schutz vor dem Unwetter gesucht haben.
    In einem angrenzenden Kiefernhain hängen die Äste nach unten, als wären sie vom Regen getränkt, und sie wirken grau wie Asche, nicht grün.
    Die großen Kiefernzapfen sehen seltsam aus, wie Krebsgeschwülste.
    In einem klobigen, quadratischen Bauwerk sind die Waschräume untergebracht. Er läuft durch den Wolkenbruch zur Herrentoilette.
    Als der Killer am ersten von drei Pissoirs steht, der Regen heftig auf das Dach prasselt und der Geruch von nassem Beton erstickend in der Luft hängt, kommt ein Mann Anfang Sechzig herein. Auf einen Blick: dichtes weißes Haar, runzliges Gesicht, Knollennase mit geplatzten Äderchen. Er geht zum dritten Pissoir.
    »Ganz schönes Unwetter, was?« sagt der Fremde.
    »Ein echter Straßenfeger«, sagt der Killer, ein Ausdruck, den er einmal in einem Film gehört hat.
    »Hoffe, daß es bald weiterzieht.«
    Der Killer stellt fest, daß der alte Mann etwa

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