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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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unwesentlich leiser als der normale Mündungsknall.
    Der Killer zieht die Fahrertür hinter sich zu. Er sieht auf den Gehweg hinaus, zu dem regennassen Picknickgelände, den Waschräumen. Niemand ist zu sehen.
    Er klettert über die Schaltung auf den Beifahrersitz und sieht zum vorderen Fenster auf die Seite hinaus. Nur noch vier weitere Fahrzeuge stehen auf dem Parkplatz. Das nächste ist ein Lastwagen Marke Mack, dessen Fahrer in der Toilette sein muß, denn in der Fahrerkabine ist niemand zu sehen.
    Es scheint unwahrscheinlich, daß jemand die Schüsse gehört hat. Das Prasseln des Regens bietet eine ideale Tarnung.
    Er dreht den Beifahrersitz herum, steht auf und geht nach hinten in das Wohnmobil. Bei dem toten Paar bleibt er stehen, berührt Jacks Rücken … und Frannies linke Hand, die in einer Blutlache neben ihrem Eßteller auf dem Tisch liegt.
    »Lebt wohl«, sagt er leise und wünscht sich, er könnte sich mehr Zeit nehmen, diesen speziellen Augenblick mit ihnen zu teilen.
    Aber nachdem er schon so weit gekommen ist, kann er es kaum erwarten, seine Kleidung gegen die von Frannies Mann auszutauschen und sich wieder auf den Weg zu machen. Inzwischen ist er fest davon überzeugt, daß ein Sender in den Gummiabsätzen seiner Rockport-Schuhe verborgen ist, dessen Signale schon in diesem Augenblick gefährliche Leute in seine Richtung leiten.
    Nach dem Wohnzimmer folgt ein Bad, ein großer Schrank, der vollgestopft ist mit Frannies Kleidung, und ein Schlafzimmer nebst einem kleineren Schrank mit Jacks Kleidungsstücken. In weniger als drei Minuten hat er sich nackt ausgezogen und zieht neue Unterwäsche, Tennissocken, Jeans, ein rot-braun kariertes Hemd, ein paar ausgetretene Turnschuhe und eine braune Lederjacke anstelle seiner eigenen schwarzen an. Der Schritt der Hose sitzt perfekt, der Bund ist zwei Zentimeter zu weit, aber er zieht ihn mit einem Gürtel zusammen. Die Schuhe sind etwas zu groß, aber er kann sie tragen, Hemd und Jacke passen wie angegossen.
    Er trägt die Rockport-Schuhe in die Küche. Um seine Vermutung zu bestätigen, nimmt er ein Küchenmesser aus einer Schublade und säbelt die verschiedenen Schichten der Gummisohle an einem Schuh ab, bis er auf eine kleine, mit elektronischen Gerätschaften vollgestopfte Höhlung stößt. Ein Miniatursender ist mit einer Reihe von Uhrenbatterien verbunden, die um den ganzen Absatz herum zu verlaufen scheinen, möglicherweise um die ganze Sohle.
    Also ist er doch nicht paranoid.
    Sie kommen.
    Er läßt den Schuh inmitten eines Haufens von Gummischnipseln auf dem Küchentresen stehen, durchsucht hektisch Jacks Leichnam und nimmt das Geld aus der Brieftasche des alten Mannes. Zweiundsechzig Dollar. Er sucht nach Frannies Börse und findet sie im Schlafzimmer. Neunundvierzig Dollar.
    Als er das Wohnmobil verläßt, wirkt der grauscheckige Himmel konvex, wie von der Last der Gewitterwolken abwärts gebeugt. Regen prasselt megatonnenweise auf die Erde.
    Nebelschwaden winden sich zwischen den Stämmen der Kiefern und scheinen nach ihm zu greifen, während er zum Honda läuft.
    Als er sich wieder auf der Interstate befindet und durch die ewige Dämmerung des Unwetters rast, dreht er die Heizung des Autos bis zum Anschlag hoch und überquert wenig später die Grenze nach Texas, wo das flache Land womöglich noch flacher wird. Er hat die letzten Überbleibsel seines alten Lebens hinter sich gelassen und fühlt sich befreit. Er schlottert unbeherrscht, vom kalten Regen durchnäßt, zittert aber auch vor Aufregung und Vorfreude.
    Sein Schicksal liegt irgendwo im Westen.
    Er schält die Plastikverpackung von einem Slim Jim und ißt beim Fahren. Ein schwaches Aroma unter dem vorherrschenden Duft des Dörrfleischs erinnert ihn an den metallischen Geruch von Blut in dem Haus in Kansas City, wo er das namenlose Paar in seinem riesigen georgianischen Bett zurückgelassen hat.
    Der Killer fährt mit dem Honda so schnell er sich auf der regennassen Straße traut und ist bereit, jeden Polizisten zu töten, der ihn aufhalten sollte. Als er am Sonntagabend kurz nach Einbruch der Dämmerung Amarillo, Texas, erreicht, stellt er fest, daß der Honda praktisch auf Reserve läuft. Er fährt gerade lange genug auf einen Rastplatz, um zu tanken, auf die Toilette zu gehen und mehr Lebensmittel für unterwegs zu kaufen.
    Hinter Amarillo braust er westwärts in die Nacht und passiert Wildorado, an der Grenze von New Mexico, und plötzlich wird ihm klar, daß er die Badlands im Herzen

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