Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Schiff verließ, und verzichtete sogar auf den Atemfilter. Er wusste auch ohne aufwendige Analysen, dass er die Luft hier würde atmen können. Als er die Treppe hinabgestiegen und ein paar Schritte gegangen war, wandte er sich um und betrachtete das Schauspiel des Sonnenuntergangs. Die »Diana« stand wie ein dunkler Obelisk in einem Meer aus Farben, und als der glühende Feuerball bereits hinter dem Horizont versunken war, schimmerte ihre Spitze noch immer blutrot.
Vincent atmete tief durch und genoss die Kühle des Abendwinds, den Geschmack ungefilterter Luft und das Gefühl unendlicher Weite. Als die Nacht wie ein dunkles Tuch herabfiel und die ersten Sterne aufflammten, starrte er zum Himmel hinauf, bis ihm die Augen brannten. Er wartete auf ein Zeichen, und als es tatsächlich erschien, wunderte er sich nicht, sondern folgte der Richtung, die es ihm wies. Vielleicht war es ein Meteorit, der in der Atmosphäre verglühte, oder auch nur eine holografische Projektion. Wichtig war allein, dass das leuchtende Zeichen Vincent den Weg wies.
Als es verglomm, verharrte er einen Augenblick orientierungslos, ging dann aber in der einmal eing eschlagene Richtung weiter, bis er in der Ferne den flackernden Schein eines Feuers erblickte. Vincent beschleunigte seinen Schritt und begann schließlich sogar zu laufen, getrieben von einer Ungeduld, die rational kaum zu erklären war. Er lief, als fürchtete er, dass das Feuer wie eine Fata Morgana verschwinden und ihn allein in der Dunkelheit zurücklassen könnte.
Allein in der Dunkelheit . Vincent dachte darüber nach und erkannte plötzlich, dass er die ganze Zeit über genau das gewesen war: allein in der Dunkelheit. Vielleicht lief er deswegen so schnell ...
Das Feuer brannte im Inneren einer Ruine, deren Mauern und Fensterbögen sich kaum schulterhoch aus dem angewehten Sand erhoben. Es musste ein größeres Gebäude gewesen sein, höher als die and eren ringsum, die die Wüste bereits unter sich begraben hatte. Sie waren gerade noch rechtzeitig gekommen – vielleicht.
Der Mann am Feuer sah nicht auf, als Vincent n äher trat. Sein Haar war schulterlang und von silbernen Strähnen durchwirkt. Seine Augen konnte Vincent nicht erkennen, denn er hielt den Blick auf seine im Schoß gefalteten Hände gesenkt. Die scharf geschnittene Nase, die sonnengegerbte Haut und der dichte Vollbart verliehen der Erscheinung des Fremden eine Aura von Alter und Würde, die ganz selbstverständlich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zog.
»Setz dich zu mir, Jäger«, sagte der Mann, ohne den Kopf zu heben. »Wir haben zu reden.«
Er hatte nicht laut gesprochen, dennoch hallten seine Worte in Vincents Ohren nach. Die Stimme klang vertraut wie die eines alten Freundes. Nur hatte Vincent nie Freunde besessen, zumindest keine, an die er sich erinnern konnte. Der Eindruck von Vertrautheit musste auf einer Suggestion beruhen. Vermutlich war die Stimme ebenso wenig real wie der Mann selbst oder das Feuer, an dem er sich die Hände wärmte.
Vincent hörte, wie die Flammen knisternd das Holz verzehrten, sah Funken aufstieben und schmeckte den bitteren Rauch auf der Zunge. Es war schwer, fast unmöglich, den eigenen Sinnen zu misstrauen. Wozu auch? Er war hier, um etwas h erauszufinden, und der Mann am Feuer hatte den Ort sicherlich nicht ohne Grund ausgewählt. Also folgte Vincent der Aufforderung des Fremden und setzte sich zu ihm. Das Feuer loderte auf, und ein Schwarm Funken stieg in den nachtblauen Himmel.
»Du könntest jetzt deines Amtes walten, Jäger«, sagte der Mann nach einer Weile und lächelte. » Aber du trägst keine Waffe.«
Da er Vincent nicht ansah dabei, war es schwer, se inen Gesichtsausdruck zu deuten.
»Ich bin nicht mehr im Amt«, stellte Vincent klar und räusperte sich. »Wozu also eine Waffe?«
Der Fremde nickte, als hätte er die Antwort erwartet, und hüllte sich wieder in Schweigen. Noch immer hatte er nicht aufgesehen.
»Weshalb sind wir hier?«, erkundigte sich Vi ncent schließlich, nur um überhaupt ein Gespräch in Gang zu bringen.
Dieses Mal lächelte der Fremde nicht, sondern musterte sein Gegenüber mit ernster Miene. Seine Augen strahlten in einem intensiven, fast unnatürl ichen Blau, und als sich ihre Blicke trafen, hatte Vincent das Gefühl, als dringe dieses blaue Leuchten direkt zu seinem innersten Selbst vor wie ein Scheinwerferstrahl, der einen dunklen Raum erhellt.
Aber das Gefühl verging, als der Fremde seinen Blick abwandte und zu
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