Die zweite Kreuzigung
unter anderen Umständen bescheiden ausgenommen hätte, erlebten die armen Wüstenbewohner und die Soldaten als großen Festschmaus. Das Kamel war zäh, das Fleisch nicht völlig durchgegart, und beim Essen knirschten Sandkörner zwischen den Zähnen. Aber keiner beklagte sich. Sie spülten die rustikalen Speisen mit dreimal gebrühtem grünem Tee hinunter, der von Mal zu Mal schwächer wurde. Angesichts der Sprachbarriere, die Soldaten und Tuareg trennte, quälte sich die Konversation nur mühsam voran. Fragen gelangten über Gerald zu Si Musa und die Antworten auf demselben Wege wieder zurück. Nach und nach kamen sich beide Seiten etwas näher. Dabei spürten alle die dumpfe Spannung, die Stille, die von der Hütte des Anführers ausging, wo das Kind keinen Ton von sich gab und jeden Augenblick für tot erklärt werden konnte. Die Tuareg ließen Prisen von Schnupftabak herumgehen, die sie in kleinen Behältnissen um den Hals trugen. Donaldson plünderte ihre Zigarettenration und reichte Päckchen von Sargnägeln des höheren Dienstes in die Runde, als seien es Süßigkeiten. Einige Tuareg hatten bereits einmal geraucht, andere mussten fürchterlich husten.
Dann gab es Musik und Tanz. Männer und Frauen tanzten in getrennten Gruppen – schwingende Bewegungen beim Schein der Flammen, die von dem Gemisch aus Kameldung und Benzin aufstiegen. Der Himmel über allem, an dem Myriaden von Sternen leuchteten, schien eine Kuppel aus Silber und Ebenholz zu sein. Die harten Trommelschläge des
tindi
kamen von den Dünen zurück wie Gewehrschüsse, gemildert nur durch die feinen Töne zweier
imzads,
einsaitiger arabischer Geigen. Wie aus dem Nichts erschien ein Mann im weißen Umhang mit einer Flöte. Die Tänzer blieben einer nach dem andern stehen, und die Instrumente schwiegen. Die Flöte, die sanft und leise begann, schickte allmählich immer lautere und schnellere Rhythmen zu den Sternen empor. Dabei schob sich der Mond über den Horizont und stieg langsam an dem strahlenden Firmament auf. Während er sein ockerfarbenes Licht über die Erde goss, erglänzte er bald selbst in hellem Silber wie die Sterne.
Dann endete die Musik, Beifall erklang, und es war Zeit, schlafen zu gehen. Der Flötenspieler trat an Gerald heran und sagte, er freue sich darauf, am nächsten Morgen länger mit ihm zu sprechen. Es war Si Musa. Gerald wünschte ihm eine gute Nacht und erklärte ihm, er werde mit seinen Männern wie stets bei den Autos schlafen.
Sie fuhren die Chevvys auf ebenes Gelände an der gegenüberliegenden Seite der Oase.
»Zeit für eine Besprechung, Gentlemen«, sagte Gerald, als sie sich überzeugt hatten, dass ringsum alles ruhig war, und ihre Schlafsäcke im Sand ausrollten. Inzwischen war es bitterkalt geworden. Die Hitze des Tages war nur noch eine ferne Erinnerung. Das Mondlicht versilberte die Dünen,als seien sie aus Eis. Die Männer hüllten sich in ihre Tropenmäntel, fröstelten aber trotzdem, waren müde und sehnten sich nach Kairo zurück. Bei Geralds Worten stöhnten sie auf. Jetzt würde es spät werden.
»Wir müssen heute Nacht Funkkontakt zum Basislager herstellen. Für den Fall, es passiert etwas, kann uns keiner helfen, wenn wir nicht unsere Koordinaten durchgeben. Die bestimmen wir jetzt mit dem Theodoliten. Ihr Übrigen stellt inzwischen die Antenne auf.«
Skinner, Clark, Donaldson und Leary machten sich beim Funkwagen zu schaffen, rammten zwei hohe Stangen vorn und hinten in den Sand, fixierten sie mit Spannleinen und befestigten die Dipol-Antenne zwischen ihnen. Während sie sich damit abplagten, holten Gerald und Max Chippendale den Theodoliten hervor und schraubten ihn auf den Dreifuß.
Max stellte die Beine des Dreifußes auf ein großes Holzbrett und verbrachte die nächsten fünf Minuten damit, das Gerät mit einem Richtblei in eine waagerechte Position zu bringen.
»Wer, verdammt noch mal, hat sich nur ausgedacht, so ein Ding in der Sandwüste einzusetzen?«, fluchte er, wie er es immer tat, wenn er das Gerät justieren musste. Er quälte sich lange mit den drei Beinen herum, während Gerald ihm mit einer starken Taschenlampe leuchtete, die er bei einer Patrouille Australier »organisiert« hatte.
»Okay, Chef. Besser krieg ich es nicht hin.« Er presste sein Auge an den Sucher des Theodoliten und wählte einen Stern aus.
»Jetzt!«, stieß er hervor, als der Stern die Linse passierte. Gerald las an seinem Chronometer die Zeit ab und notierte sie.
Im Funkwagen hatte Leary
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